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H2-Bilanz: Investitionsstau bremst den Wasserstoff-Hochlauf aus

Viel angedacht, wenig in die Tat umgesetzt: Die aktuelle H2-Bilanz von EWI und Eon zeigt die große Lücke zwischen geplanten Projekten und finalen Investitionsentscheidungen auf. Besonders beim Netz hapert es.
24.04.2024

Laut der H2-Bilanz kommt der Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland zu langsam voran.

Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist auf einem guten Weg – aber nur auf dem Papier. Das geht aus der vierten H2-Bilanz hervor, die Eon heute auf Basis von Daten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) veröffentlicht hat. Die bis 2030 geplante Wasserstoff-Erzeugungsleistung ist von 8,7 Gigawatt im August 2023 auf 10,1 Gigawatt im Februar 2024 gestiegen. Damit hat sich der Aufwärtstrend der Planungen etwas verstärkt, bleibt aber erst einmal Theorie. Denn nur die Realisierung aller geplanten Projekte würde auch bedeuten, dass das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Elektrolyseleistung von 10 Gigawatt in Deutschland zu installieren, erreicht wird.

Laut der Analyse besteht jedoch eine große Diskrepanz zwischen geplanten Projekten und finalen Investitionsentscheidungen. Dies wird in der vierten H2-Bilanz erstmalig mit Zahlen untermauert: Von 88 angekündigten Projekten liegt nur für 16 Projekte mit einer geplanten Erzeugungsleistung von insgesamt 0,3 Gigawatt eine finale Investitionsentscheidung vor – und damit für nur rund drei Prozent der angekündigten Elektrolysekapazität.

Unklarheiten bei der Zertifizierung

Eon sieht verschiedene Gründe als mögliche Hemmnisse für Investitionsentscheidungen. Die Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte der EU zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff habe zwar insgesamt zu mehr Rechtssicherheit geführt. Der Konzern sieht jedoch nach wie vor Unsicherheiten im Hinblick auf die Zertifizierung und Anrechnung von erneuerbarem Wasserstoff.

Handlungsbedarf gibt es aus Sicht von Eon auch bei der Förderung. Fördermittel seien noch nicht ausreichend, strenge Auflagen sowie verspätete Förderzusagen seien ebenfalls Investitionshemmnisse. Zudem fehlten bisher Transport- und Speicherinfrastruktur. Die Einigung zu den Konditionen und zur Finanzstruktur für das Kernnetz sei ein wichtiger Schritt für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Mit einer möglichen Verlängerung der Fertigstellung bis 2037 könnten einige Leitungen jedoch erst später für die Kundenversorgung zur Verfügung stehen.

Netzausbau kommt nicht voran

Die Länge der in Deutschland betriebenen reinen Wasserstoffleitungen hat sich wie bereits bei Veröffentlichung der letzten H2-Bilanz im November 2023 nicht verändert. Nachdem es allerdings im Herbst eine deutlich positive Entwicklung bei den Planungen für ein Wasserstoffnetz gab (Anstieg um mehr als 100 Prozent), ist in der vierten H2-Bilanz nur ein leichter Anstieg von 5708 Kilometern geplanter Leitungen auf 6207 Kilometer zu beobachten (Anstieg um knapp 9 Prozent). Die kürzliche Einigung bei der Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes bringt zwar mehr Sicherheit, allerdings wird sich zeigen, ob die Finanzierungskonditionen für potenzielle Investoren attraktiv genug sind. Eine schnelle Umsetzung des angekündigten Wasserstoff-Beschleunigungsgesetzes könnte dem Infrastrukturausbau durch kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren zusätzlich Tempo verleihen.

Neu ist in der H2-Bilanz die Rubrik „Regulatorische Meilensteine“, die einen Überblick darüber gibt, welche Rahmenbedingungen bereits beschlossen wurden und welche Meilensteine noch ausstehen. Dies ermöglicht es, kausale Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungen und der Entwicklung der Daten aufzuzeigen.

Clemens fordert mehr Tempo

Gabriël Clemens, Geschäftsführer bei Eon Hydrogen, sieht Deutschland beim Wasserstoffhochlauf erst am Anfang eines langen Weges. Der deutliche Aufwärtstrend bei der bis 2030 geplanten Elektrolysekapazität seit der erstmaligen Erhebung der H2-Bilanz sehe in der Theorie zunächst gut aus. In der Praxis sei man von unserem Ziel noch weit entfernt. Die aktuell installierte Leistung habe sich kaum weiterentwickelt. Der Anteil der geplanten Projekte, die über eine finale Investitionsentscheidung verfügen, sei viel zu gering. „Wir bräuchten dreißig Mal mehr, um die von der Bundesregierung vorgegebenen 10 Gigawatt zu erreichen. Mit der nun vorliegenden vierten H2-Bilanz wollen wir erneut die Dringlichkeit für mehr Tempo beim Wasserstoffhochlauf aufzeigen.“

Um den Wasserstoffhochlauf zu beschleunigen, müssen aus Sicht von Eon alle Optionen ausgeschöpft werden. Konkret plädiert der Versorger für eine Förderung systemdienlicher Elektrolyseure. Sie könnten dort entlasten, wo es Stromnetzengpässe gebe, könnten zentral oder kundennah grünen Wasserstoff erzeugen und den heimischen Markt anregen.

Neue Studie zur Systemdienlichkeit

Eon hat gemeinsam mit der Thüga eine Studie in Auftrag gegeben. Diese soll untersuchen, wo in Deutschland systemdienliche Elektrolyse-Projekte sinnvoll wären. Denn diese haben einen doppelten Nutzen – sowohl auf der Strom- als auch auf der Wasserstoffseite. Die Ergebnisse sollen im Sommer kommuniziert werden. (amo)