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"Die einzelnen Prozesse sollten von Beginn an digital und automatisiert abgebildet werden"

Die Umsetzung der CSRD respektive einer Nachhaltigkeitsstrategie hat großen Einfluss auf das Vertrauen der Kunden und Stakeholder eines kommunalen Unternehmens. Ein Interview mit Lufthansa Industry Solutions über Schnittmengen der Airline- und Energiebranche und Green IT.
24.04.2024

Klaus Zabel ist Business Director Energy und hat seit 25 Jahren die geschäftliche Verantwortung für den Markt der Energiewirtschaft bei Lufthansa Industry Solutions. Stephanie Hackenholt ist Business Manager Environment.

Die Novellierung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird den Kreis der kommunalen Unternehmen, die zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind, deutlich ausweiten. Viele müssen erstmals ab 2026 für das Geschäftsjahr 2025 einen solchen Bericht anfertigen. Der personelle und prozessuale Aufwand sollte dabei nicht unterschätzt werden.

CSRD-Novellierung ist Fokusthema bei der ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz

Generell werden Nachhaltigkeitsdaten für die Energiebranche wichtiger, auch für Unternehmen, die nicht berichtspflichtig sind. Insbesondere Banken fragen heute zum Teil schon danach. Die Lufthansa-Tochter Lufthansa Industry Solutions (LHIND) mit Sitz in Norderstedt unterstützt Unternehmen bei der Erstellung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien und ESG-Reportings, sowohl fachlich als auch mit technischen Lösungen. Über Chancen und Herausforderungen beim Thema CSRD sprechen Klaus Zabel, Business Director Energy und Stephanie Hackenholt, Business Manager Environment, im ZfK-Interview.

Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Umsetzung der CSRD sowie der EU-Taxonomie sind das Fokusthema bei der diesjährigen ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz am 17. Juni in Berlin. Zur Anmeldung geht es hier. Die LHIND wird im Rahmen der Konferenz einen interaktiven Workshop zu den CSRD-relevanten Themenblöcken (unter anderem Doppelte Wesentlichkeit, Corporate Carbon Footprint, ESG Management Tool) sowie zum Umgang mit den CSRD-relevanten Daten anbieten und entsprechende Fachfragen dort vertiefen.

Die Lufthansa Industry Solutions (LHIND) gehört als eigenständiges IT- und Digitalisierungsunternehmen zur Lufthansa Group. Neben der Lufthansa zählen Energieversorger, Netzbetreiber und Kunden aus weiteren Branchen zu Ihren Kunden. Welche Schritte wurden hier in Sachen CSRD in der Airline-Branche bereits durchlaufen?
Stephanie Hackenholt: Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist eine für ganz Europa geltende Richtlinie, die Unternehmen verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsleistung offenzulegen. Für die Airline-Branche ist die CSRD von hoher Relevanz, da sich Fluggesellschaften verstärkt den Herausforderungen des Klimawandels und der Umweltverantwortung stellen müssen.

Durch die CSRD sind sie aufgefordert, transparent über ihre ökologischen, sozialen und governance-bezogenen Aspekte zu berichten, was zu einem verstärkten Fokus auf umweltfreundliche Praktiken, Treibstoffeffizienz und soziale Verantwortung führt.

Wie groß sind die prozessualen Herausforderungen bei der Umsetzung der CSRD?
Stephanie Hackenholt: Die Regulatorik basiert auf den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die über 1.100 Datenpunkte umfassen. Unternehmen stehen hier insgesamt vor der Herausforderung, über eine sogenannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse erst einmal zu ermitteln, welche Daten sie überhaupt berichten müssen. Ist hier Klarheit geschaffen, müssen die entsprechenden Daten konsolidiert oder, so ist es in den meisten Fällen, erst einmal erfasst werden. Zudem muss der CO2-Fußabdruck des Unternehmens ermittelt und auch Finanzströme müssen im Kontext der Nachhaltigkeit überprüft werden.

"Die CSRD bietet auch die Möglichkeit,
den steigenden Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden."
(Stephanie Hackenholt, Business Manager Environment)

Wie bewerten Sie das Thema CSRD unter dem Gesichtspunkt der Chancen für die künftige Unternehmenssteuerung?
Stephanie Hackenholt: Die CSRD bietet Unternehmen eine Chance, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen transparenter darzustellen. Das hat einen enormen Einfluss auf die Vertrauensstärkung der Kunden, Mitarbeitenden und weiterer Stakeholder. Gleichzeitig stellt die Einhaltung der CSRD auch eine Herausforderung dar, denn für die saubere Datenerfassung und die Berichterstattung an sich, müssen Unternehmen zusätzliche Ressourcen bereitstellen.

Darüber hinaus kann eine transparente Offenlegung auch unangenehme Fakten oder Schwachstellen aufdecken, die das Ansehen des Unternehmens beeinträchtigen könnten. Insgesamt bietet die CSRD Unternehmen die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern und gleichzeitig den steigenden Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden.

Wo sehen Sie Schnittmengen zwischen der Airline-Branche und der Energiewirtschaft im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit und CSRD?
Stephanie Hackenholt: Fluggesellschaften sind für einen beträchtlichen Teil der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und auch die Energiebranche steht an vorderster Front bei der Erzeugung von CO2-Emissionen, unter anderem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Beide Branchen müssen daher entscheidende Schritte unternehmen, um ihre Emissionen zu reduzieren und auf nachhaltigere Alternativen umzusteigen.

Dies erfordert Investitionen in emissionsarme Technologien, die Förderung erneuerbarer Energien und die Entwicklung effizienterer Transportmittel. Allem voran steht allerdings als erster Schritt, die Transparenz über relevante Emissionsherde zu erlangen. Das heißt Unternehmen müssen ihre relevanten Emissionsherde erst einmal kennen, um dann auch an den richtigen Stellen anzusetzen.

"Über die Ansätze Greening of IT und Greening by IT möchten wir dem Energiemarkt helfen, seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen."
(Klaus Zabel, Business Director Energy)

Lassen Sie uns nun einmal zum Kern respektive dem Portfolio der Lufthansa Industry Solutions, kommen – der IT und der Digitalisierung. Wie muss ich mir hier die Verbindung in die Energiebranche und auch zum Thema Nachhaltigkeit vorstellen?
Klaus Zabel: Seit vielen Jahren unterstützt die Lufthansa Industry Solutions mit ihrem Portfolio neben der Airline-Branche auch weitere Märkte. Die Energiewirtschaft ist dabei eine Kernbranche. Durch diese breite Aufstellung können wir innovative Lösungen anderer Branchen nutzen, Synergien heben und diese unseren Kunden anbieten.

Beispielsweise haben wir Projekte rund um das Thema spartenübergreifende Kundenserviceportale im B2B- oder B2C-Umfeld bei Stadtwerken umgesetzt und dabei die langjährige Erfahrung im Kundenmanagement aus dem Airline-Umfeld mit eingebracht. Ergänzend dazu heben wir durch smarte KI basierte Lösungen bei Energieversorgern Effizenzpotenziale im Messwesen oder optimieren die Prozesse im Kundenservice.

In dieser Analogie möchten wir mit unserem Portfolio der Nachhaltigkeit auch unsere Erfahrung aus anderen Branchen einbringen und über die Ansätze Greening of IT und Greening by IT dem Energiemarkt helfen, seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Greening by IT verfolgt dabei das Ziel, durch Digitalisierung die Prozesse effizienter und ressourcenschonender zu gestalten und dies zu monitoren.

Bei Greening of IT wird die Entwicklung und der Betrieb der IT selbst unter die Nachhaltigkeitslupe genommen. Beispielsweise kann im Rahmen eines Software Lifecycle-Assessments festgestellt werden, wieviel CO2 die Software im Produktivbetrieb ausstößt. Ein wichtiger Aspekt im Rahmen des ganzheitlichen CSRD-Reportings.

"Wie bei vielen anderen Themen sollte man sich auch bei der Umsetzung der CSRD die Frage stellen: Wie kann ich ein gutes Ergebnis ohne einen zu hohen Aufwand erzielen."  (Stephanie Hackenholt)

Was antworten Sie denen, die in der Umsetzung der CSRD primär einen zusätzlichen Aufwand oder Belastung sehen?
Stephanie Hackenholt: Da es sich um eine Regulatorik handelt, kommt keines der betroffenen Unternehmen um die Berichtspflicht herum. Und ja, CSRD bringt im ersten Schritt Aufwand mit sich. Doch wie bei vielen anderen Themen auch, sollten sich Unternehmen in diesem Kontext viel eher die Frage stellen, „Wie kann ich ein gutes Ergebnis ohne einen zu hohen Aufwand erzielen?“.

So sind händische Prozesse, wie beispielsweise das Arbeiten in Excel, für ein kontinuierliches Management der Nachhaltigkeitsperformance ungeeignet. Bei der Berücksichtigung von mehreren hundert Datenpunkten und der grundsätzlichen Komplexität birgt diese Variante zum einen ein hohes Maß an Fehleranfälligkeit und zum anderen reduziert sie nicht den Arbeitsaufwand, sondern hält ihn mindestens konstant.

"Durch eine durchgängige Transparenz mit Hilfe von ESG-Reporting respektive IT-Tools können Unternehmen eine Führungsrolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen einnehmen." (Stephanie Hackenholt)

Fehler in der Berichtserstattung können wiederum zu Strafen führen und lassen die Berichtspflicht zu einer never ending story – im negativen Sinne – werden. Das will niemand! Daher sollten das gesamte Handling und die zahlreichen einzelnen Prozesse von Beginn an digital und automatisiert abgebildet werden. In anderen Bereichen, wie etwa dem Kundenservice streben Versorger und Netzbetreiber genau diesen Weg an, um beispielsweise durch den Einsatz von smarten KI-Services besagte und weitere Mehrwerte zu schaffen.

So sind auch in der CSRD digitale Technologien mehrwertstiftende Instrumente. Sie ermöglichen ein kontinuierliches Monitoring der eigenen Nachhaltigkeitsperformance und die Überprüfung, ob aktuelle Aktivitäten auf die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens einzahlen. Durch eine durchgängige Transparenz mit Hilfe von ESG-Reporting-, respektive IT-Tools können Unternehmen eine Führungsrolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen einnehmen und so einen wichtigen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten.

Aus diesem Grund war es für uns als IT-Unternehmen und Lösungsanbieter natürlich naheliegend ein eigenes ESG-Reporting-Tool zu entwickeln. Mit unserem ESG (Ecological, Social, Governmental) Performance Accounting Tool (kurz EPACTO) bieten wir unseren branchenübergreifenden Kunden einen entscheidenden Lösungsbaustein zur Umsetzung der CSRD-Anforderungen.

Glauben Sie, dass die Energiewirtschaft als Enabler und Umsetzer der Energiewende gegenüber anderen Branchen in Sachen CSRD-Konformität Vorteile hat oder eine Vorreiterrolle einnimmt?
Klaus Zabel: Die Energiewirtschaft als großer CO2-Emittent aber auch als großer Know-how-Träger für Energieerzeugung und Verteilung spielt eine große Rolle bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Im Rahmen der Umsetzung ihrer Dekarbonisierungsziele ermöglichen sie der Industrie grünen Strom einkaufen zu können – eine Voraussetzung, um deren Scope 2- Emissionen zu reduzieren. Somit ist sie Vorreiter und hat den Vorteil, auf eine langjährige Erfahrung mit dem Umgang von Energieträgern und deren effizienten Einsatz zur Optimierung zurückgreifen zu können.

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)