Abwasser

Neues Abwasserbeseitigungskonzept für Dresden bis 2038

Bevölkerungswachstum und neue Industrieansiedlungen werden die Infrastrukturen erheblich belasten. Mit „Dresden 600“ will die Stadt gegensteuern.
20.10.2023

Kläranlage Dresden-Kaditz: Auf der grünen Fläche entstehen 2026 bis 2027 zwei neue Belebungsbecken und eine Gebläsestation für die biologische Abwasserreinigung,

 

 

Der Eigenbetrieb Stadtentwässerung hat eine neue Konzeption für die Dresdner Abwasserinfrastruktur bis 2038 erarbeitet. Ein Schwerpunkt ist die Ableitung und Behandlung der Abwässer der im Dresdner Norden ansässigen und sich erweiternden Halbleiterindustrie.

Die Produktion von Chips erzeugt große Abwassermengen, deren Ableitung und Behandlung auf der Kläranlage in Kaditz nur durch adäquate Ausbaumaßnahmen zu bewältigen ist. Dazu gehört der im Juli begonnene Bau des Industriesammlers Nord. Das ist ein etwa elf Kilometer langer Kanal, der fast ausschließlich der Ableitung der Abwässer der Halbleiterindustrie dient.

Abwassergebühren bleiben relativ stabil

Noch größer sind die Herausforderungen auf der zentralen Kläranlage Kaditz. Sie muss erweitert werden. Die Gesamtinvestitionen für deren Erweiterungen und Erhalt der baulichen Substanz werden sich über die nächsten 13 bis 15 Jahre erstrecken und über 630 Millionen Euro kosten.
 
„Trotz all dieser Maßnahmen werden wir die Abwassergebühren im Vergleich zu anderen Preissteigerungen sehr stabil halten können“, erklärte die Dresdner Bürgermeisterin für Umwelt und Klima, Recht und Ordnung, Eva Jähnigen, während eines Pressetermins im Klärwerk Dresden-Kaditz.

240 Prozent mehr Abwasser in der Industrie

Im Rahmen des Strategieprojekts ‚Dresden 600‘ analysiert der Eigenbetrieb seit Jahren, wie die technische Infrastruktur ausgebaut werden muss. Der Name des Projekts ist von der Perspektive der Großstadt abgeleitet. Die Bevölkerung könnte insbesondere durch die anstehenden Industrieansiedlungen von derzeit knapp 570.000 auf bis zu 600.000 Einwohner im Jahr 2035 anwachsen.
 
Vor allem wegen großer Industrieansiedlungen im Dresdner Norden zwischen Hellerau, Wilschdorf und Klotzsche sind die Abwassermengen in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Höhere Schmutzfrachten

8,7 Millionen Kubikmeter leiten allein die Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab ins Dresdner Kanalnetz ein. Das entspricht 93 Prozent der Dresdner Industrie-Abwässer. Die Abwassermenge aus der Chipindustrie entspricht der von 250.000 Einwohnern.

Mit der Erweiterung von Infineon an der Königsbrücker Straße und dem geplanten Werk des taiwanesischen Chipherstellers TSMC im Rähnitzer Gewerbegebiet wird die Abwassermenge aus der Industrie um bis zu 240 Prozent steigen. Zudem soll die Schmutzfracht im Abwasser um 80 Prozent zunehmen, beim Stickstoff sogar um 250 Prozent.

Konsquenzen der neuen Abwasserrichtlinie

Ende 2022 wurde ein Entwurf der neuen europäischen Abwasserrichtlinie veröffentlicht. „Daraus ergeben sich verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung“, so Ralf Strothteicher, Leiter des Eigenbetriebes Stadtentwässerung.

„Voraussichtlich müssen wir auch eine vierte Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen bauen“, verweist er auf eine weitere Konsequenz.

Industriesammler für Halbleiterindustrie

Mit der neuen Infineon-Chipfabrik wäre das vorhandene Kanalnetz überlastet. Deshalb baut die Stadtentwässerung bis 2026 den Industriesammler Nord für die Abwässer der Mikroelektronik-Betriebe. Mit dem rund 70 Millionen Euro teuren Großprojekt sollen das rechtselbische Kanalnetz entlastet und die Möglichkeiten für die weitere industrielle Entwicklung geschaffen werden.

Künftig wird das Abwasser direkt von den Gewerbegebieten zur Kläranlage geleitet. Damit entsteht neben dem Altstädter und dem Neustädter ein dritter großer Abfangkanal in Dresden.

Neue Becken und dritter Faulturm

Damit das zusätzliche Abwasser im Klärwerk Kaditz ordentlich behandelt werden kann, investiert die Stadtentwässerung zwischen 2024 und 2030 in weitere Anlagen. Strothteicher: „Das Herzstück des Klärwerks, die biologische Reinigung, soll ausgebaut werden. Die Belebungs- und Verteilerbecken fassen insgesamt 144.000 Kubikmeter. Geplant sind zwei weitere Belebungsbecken, die 32.000 Kubikmeter fassen“.

Die vorhandenen sechs Nachklärbecken sollen durch zwei weitere ergänzt werden. Geplant ist außerdem, in der Schlammbehandlung einen dritten, 35 Meter hohen Faulturm zu errichten, der rund 10.500 Kubikmeter Schlamm fasst.

Neue Einlaufgruppe und vierte Reinigungsstufe

In einem weiteren Schritt sollen zwischen 2029 und 2036 Anlagen und Gebäude neu gebaut oder ersetzt werden. Am Zulauf zur Kaditzer Kläranlage kommt immer mehr Abwasser an. „Das ist das hydraulische Nadelöhr unserer Kläranlage“, sagt der Eigenbetriebsleiter. „Deshalb soll eine neue, leistungsfähigere Einlaufgruppe mit Sandfang, Rechen und Pumpwerk auf der früheren Vonovia-Fläche vor dem Klärwerk gebaut werden.“

Das Gelände hatte die Stadt 2019 für die Erweiterung der Kläranlage erworben. „Da dortige Grundstücke noch vermietet sind, kann der Bau nicht früher beginnen“, erklärt Strothteicher. Geplant ist zudem, auf der Fläche neben den Nachklärbecken die Anlagen der vierten Reinigungsstufe zu bauen.

Mehr Stauraum für den Gewässerschutz

Regnet es stark, wird derzeit Mischwasser in fünf Regenüberlaufbecken zurückgehalten. So läuft es nicht in die Elbe oder andere Gewässer über und belastet sie. Die beiden größten Regenüberlaufbecken im Klärwerk und neben der Waldschlößchenbrücke in Johannstadt fassen rund 36.000 Kubikmeter. Außerdem wird mit elf Steuerbauwerken das Speichervolumen des Kanalnetzes genutzt.

In den Regenüberlaufbecken und im Kanal können derzeit rund 95.000 Kubikmeter Abwasser angestaut werden. „Geplant ist, zwischen 2032 und 2038 unter anderem neun Regenüberlaufbecken in Dresden zu errichten“, kündigt der Eigenbetriebsleiter an. Sie sollen ein Speichervolumen von 35.000 bis 40.000 Kubikmeter haben. (hp)