Gas

Agora Energiewende warnt vor Kostenfallen bei den Gasverteilnetzen

Die Denkfabrik fordert einen neuen Ordnungsrahmen. Sollte dieser nicht schnell kommen, würden Netzbetreiber Gefahr laufen, viel Geld zu verbrennen.
19.06.2024

Wie geht es weiter mit dem Gasnetz? Netzbetreiber haben viele offene Fragen.

Die Denkfabrik Agora Energiewende fordert mehr Planung und Klarheit bei der Transformation der Erdgasverteilnetze. Bei einem digitalen Pressegespräch warnte Agora-Chef Simon Müller vor einem Teufelskreis mit hohen Risiken für Kunden und Netzbetreiber. Ohne einen neuen Ordnungsrahmen würde in den 2040er Jahren eine Versechzehnfachung der Netzentgelte drohen, warnt Müller. Netzbetreiber müssten sich auf Stranded Assets in Höhe von 10 Mrd. Euro einstellen.

Das Kernproblem aus Sicht von Müller und seinem Team: Der aktuelle Ordnungsrahmen ziele klar auf eine dauerhafte Nutzung der Erdgasinfrastruktur ab, was aber zu Investitions- und Kostenfallen führe.  Es fehle an einer sozialen Absicherung für die Verbraucher. Aber auch die Netzbetreiber seien die Leidtragenden. Aufgrund der Langfristigkeit der Netzinvestitionen werden bis zur geplanten Klimaneutralität 2045 viele der neueren Bestandsanlagen noch nicht refinanziert sein, erläuterte Müller.  

Betrieb wird unwirtschaftlich

Ändere man den Ordnungsrahmen nicht, werde der Betrieb von Erdgasnetzen für Netzbetreiber unwirtschaftlich. Es bestehe zudem die Gefahr, dass es zukünftig keine Bewerber mehr in Konzessions-Ausschreibungen für das Erdgasnetz gibt. 

Agora Energiewende geht dabei davon aus, dass der direkte Einsatz von Wasserstoff im Gebäudesektor absehbar allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen wird. Kostspielige Doppelstrukturen gelte es zu vermeiden. Der Erhalt der Gasnetze verursache hohe Kosten, betonte Müller in seinem Vortrag. Einem Gesamtwert der Infrastruktur von maximal rund 60 Milliarden Euro stehen laut Agora-Schätzungen jährliche Kosten von knapp 10 Milliarden Euro gegenüber. 

Müller sieht "Regulierungslücke"

Kommunen seien gut beraten, bereits heute die Umrüstung oder Stilllegung von Gasverteilnetzen planen, so Müller. Seiner Meinung nach fehle es aber trotz des Wärmeplanungsgesetzes, des neuen Gebäudeenergiegesetzes und der Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz an rechtssicheren Werkzeugen zur Umsetzung.  Müller sprach von einer „Regulierungslücke“. Die planerische Klärung der Zukunft von Gasverteilnetzen sei zwar im Ordnungsrahmen angelegt. Explizit gehe es dabei aber nur um die Transformation zu Wasserstoffverteilnetzen und nicht um die Stilllegung bzw. den Rückbau. Da die Zeit dränge – auch weil die Kommunale Wärmeplanung in den Startlöchern stehe -,  müsse die Politik noch in dieser Legislaturperiode liefern.

Geht es nach Agora Energiewende, sollte eine medienübergreifende Planung der Strom-, Gas-, H2- und Wärmenetze Standard sein. Es brauche einen Kipppunkt für Gasnetze, bei dessen Erreichen es dem Netzbetreiber ermöglicht werde, verbleibenden Netzkunden unter Wahrung von Verbraucherschutzinteressen zu kündigen.

Abschreibungsdauer verkürzen

Von entscheidender Bedeutung sei, dass der neue Ordnungsrahmen für Erdgasverteilnetze den Akteuren ermögliche, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Diese müssten natürlich kompatibel mit dem Klimaneutralitätsziel sein. Konkret macht sich Agora für eine vorgezogene Abschreibungsdauer auf das Jahr 2045 stark. Da, wo eine Umrüstung auf Wasserstoff keinen Sinn ergebe, müsse Stilllegung statt Rückbau des Gebot der Stunde sein. Zentral sei zudem eine Verkürzung der Regulierungsperiode von fünf auf maximal drei Jahre.

Um Gaskunden nicht zu überfordern, setzt sich Agora für Beteiligungs- und Informationspflichten ein. Angedacht ist auch ein Zuschusssystem zum Schutz vor einem übermäßigen Netzentgeltanstieg.

Agora hält bezahlbaren Ausstieg für möglich

Grundsätzlich sei es ohne Weiteres machbar sicherzustellen, dass die Gewinne der Netzbetreiber ausreichen, um ihre Investitionen in die Infrastruktur zu decken, betonte Müller. „Der Ausstieg aus den Erdgasnetzen kann geordnet und bezahlbar umgesetzt werden. Zügiges Umsteuern wirkt dabei kostensenkend“, gab er zu bedenken. (amo)