Strom

Bis zu 990 Euro pro MWh: Strompreis-Kapriolen gibt es nicht nur in Deutschland

Rauf und runter ging es zuletzt auch auf den Kurzfristmärkten Polens oder Ungarns. Was dahintersteckt, analysiert das Analysehaus Montel Analytics in einem Gastbeitrag.
08.08.2024

Auch in Viktor Orbáns Ungarn fuhren die Day-Ahead-Strompreise in den vergangenen Wochen Achterbahn.

Von:
Hubert Put,
Energieanalyst
Montel Analytics


Dass die Kurzfristmärkte innerhalb eines Tages einer gewissen Preisvolatilität unterliegen, ist keine neue Erkenntnis. Jedoch waren die Kapriolen der vergangenen Wochen enorm – und das nicht nur in Deutschland.

Mit Blick auf unsere direkten Nachbarn in Polen sehen wir hier ein immer wiederkehrendes zyklisches Muster in den Verläufen des Day-Ahead-Markts. Die Preise setzen in den frühen Morgenstunden kurz mit steigender Residuallast zu einem Höhenflug an. Sie werden dann durch die steigende Solarproduktion ausgebremst und während des Tages stabil gehalten.

Ähnliches Muster in Ungarn

Polen hat mit nur 14 Gigawatt (GW) im Vergleich zu Deutschland ein eher überschaubares Solarportfolio. Trotzdem reicht dieses aus, um die Preise über den Tag zu stabilisieren. Geht die Sonne jedoch wieder unter, steigen in Polen die Preise rasant. Insbesondere in den frühen Abendstunden um 20 Uhr, werden die Preise binnen weniger Stunde auf Werte zwischen 300 und 500 Euro katapultiert, um kurz darauf wieder völlig in sich zusammenzubrechen.

Ein ähnliches Muster lässt sich in Ungarn beobachten. Auch hier hält die Solarproduktion die Preise über den kompletten Tag verteilt im Zaum. Lässt diese nach, setzen auch hier Preiskapriolen in den frühen Abendstunden ein. Ungarn erlebte hier am 18. Juli den bisherigen Rekordwert von 990 Euro pro Megawattstunde.

Achterbahnfahrten auch in Rumänien

Ungarn und Polen sind keinesfalls die einzigen EU-Länder, die ein Auf und Ab auf den Spotmärkten erlebten. Auch Rumänien, Griechenland oder Kroatien sahen sich ähnlichen Achterbahnfahrten ausgesetzt.

Im Grunde sind diese Preisspitzen lediglich ein Ausdruck von mangelnder Flexibilität im System. Hierzu gehören zum einen die Integration von Speichertechnologien, die die zeitliche Diskrepanz zwischen Erzeugung und Nachfrage überbrücken können, aber auch die weitere Verflechtung zwischen den Ländern.

Höhere Kapazität an Interkonnektoren

Enorme Preisspitzen wie diese treten häufig dann auf, wenn die Residuallast schnell steigt und nur wenige Kraftwerke flexibel genug sind, die Last in so kurzer Zeit zu decken. Diese Kraftwerke preisen in ihren Geboten dann neben den Brennstoff- und Zertifikatskosten auch die Kosten für das Anlaufen und einen mögliche Verschleiß ein, was die teilweise enormen Preissprünge zur Folge hat.

Durch eine höhere Kapazität an Interkonnektoren und einer damit verbundenen stärkeren Verflechtung im EU-Binnenmarkt könnten solche Effekte in Zukunft deutlich abgemildert werden. Auf diese Weise können in Residualzeiten Kraftwerkskapazitäten aus dem Ausland, die nur im Teillastbereich fahren, stärker zur Deckung mit eingebunden werden. Dies hätte eine deutliche Effizienzsteigerung bei der Preisfindung im europäischen Markt zur Folge, wovon alle Akteure profitieren.

Das Analysehaus Montel Analytics schreibt jeden Monat für die ZfK-Printausgabe eine Kolumne zu neuen Entwicklungen auf den Energiemärkten. Thema des vorangegangenen Artikels: "Steigende Preisvolatilität treibt Großspeichererlöse" (nur in E-Paperfassung)

Info: Täglich aktualisierte Energiemarktdaten und -grafiken finden Sie hier im ZfK-Datenraum, der in Kooperation mit Montel Analystics befüllt wird.