Karriere

Klimawandel kommt im Arbeitsalltag an

Klimatische Veränderungen haben besonders große Auswirkungen auf kommunale Unternehmen. Ein Gastbeitrag von Andreas Scheuermann, Mitinhaber der Beratungsgesellschaft Auctority.
25.07.2024

Diejenigen, die die Folgen des Klimawandels bereits heute in ihrem Alltag spüren, können wichtige Impulse für Veränderungen geben.

Der Klimawandel kommt zunehmend im Arbeitsalltag an. Kommunale Unternehmen sind dabei gleich doppelt betroffen. Für die Beschäftigten erhöht sich das Gefährdungspotenzial, zugleich erhöht sich der Druck, die Infrastruktur der Daseinsvorsorge klimafest zu machen und so einen Teil der Klimafolgen für Wirtschaft und Gesellschaft abzufangen.

Was blüht unserer Gesundheit?

Der erste Blick beim Klimawandel gilt immer den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Und Meldungen der letzten Tage lassen wieder einmal aufhorchen. So mussten etwa bei einem Lauf-Event in Essen mehr als ein Dutzend Teilnehmende mit großflächigen Hautausschlägen bis hin zu Verbrennungen und Kreislaufproblemen von Feuerwehr und Sanitätern notärztlich versorgt werden. Die wahrscheinliche Ursache: der Riesen-Bärenklau. Die harmlos anmutende Pflanze, 2018 zur „Giftpflanze des Jahres“ gewählt, kann man beim Wandern am Wegesrand finden. Der Klimawandel verstärkt die Ausbreitung dieser und anderer Pflanzen, sogenannter Neophyten, die ursprünglich nicht bei uns heimisch waren.

Gleiches gilt für ursprünglich nicht-heimische Tierarten, die als „Bio-Vektoren“ die verschiedensten Bakterien, Viren und Pilze einschleppen und so gefährliche Krankheiten übertragen. Fast schon ein alter Bekannter ist der Allergie auslösende Eichen-Prozessionsspinner; größtenteils unbekannt ist selbst der Fachwissenschaft eine Vielzahl neu auftauchender Zeckenarten. Aktuelle mediale Bekanntheit erreicht derzeit die asiatische Tigermücke, die mehr als zwanzig Krankheitserreger mit sich bringt, darunter das Zika-Virus oder den Auslöser des Dengue-Fiebers.

Wer im Freien, auf Baustellen oder an Anlagen arbeitet, hat mittlerweile ein deutlich erhöhtes Kontaktrisiko zu dieser unschönen Seite der Natur.

Die dunkle Seite der Sonne

Gelegentliche Regentage verleiten gern einmal zu einem flapsigen Spruch. Man fragt dann scherzhaft, wo denn der versprochene Klimawandel bleibt, wo man doch gerade ins Schwimmbad wollte. Doch der Juni 2024 brachte einen neuerlichen Temperaturrekord. Er ist der zwölfte Monat in Folge, der den vorindustriellen Durchschnittswert um 1,5 Grad überschreitet. Die Hitze selbst ist Auslöser zahlreicher gesundheitlicher Folgen, angefangen bei Schlafstörungen und erhöhter Unfallgefahr über Kreislaufprobleme bis hin zu Hitzschlag oder Hitzekollaps. Eine Studie der FH Fulda aus dem Jahr 2023 prognostiziert zudem einen individuellen Produktivitätsverlust von jeweils 2 Prozent für jedes weitere Grad oberhalb von 25 Grad Celsius.

Neben der Hitze stellt das UV-Licht eine weitere Bedrohung dar. Rund sieben Millionen Menschen, rund 15 Prozent aller Beschäftigter in Deutschland, sind während ihrer Arbeit für längere Zeit dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt. Der blanke, gebräunte Oberkörper auf der Baustelle mag in jungen Jahren noch attraktiv wirken, die Langzeitfolgen allerdings sind bedenklich. Mit rund 7000 Fällen jährlich ist der schwarze Hautkrebs mittlerweile die zweithäufigste anerkannte Berufskrankheit. Da hilft auch Sonnenschutzcreme nicht, denn das langwellige UVA-Licht durchdringt diese und auch die oberen Hautschichten. Echten Schutz bietet meist nur, die Zeit in direkter Sonneneinstrahlung deutlich zu reduzieren.

"Klimawandel zu ignorieren ist ein Luxus, den sich die kommunalen Unternehmen nicht leisten können. Während auf internationaler oder nationaler Ebene Klimafolgen ,interpretiert' oder sogar wegdiskutiert werden können, treffen sie die örtliche Infrastruktur mit zunehmender Frequenz und Wucht."
Unternehmensberater Andreas Scheuermann

Die Herausforderungen durch den Klimawandel für die Arbeitswelt sind vielfältig, entsprechend breit sind auch die Hilfestellungen der Wissenschaft angelegt. Auf einen Umfang von 94 Seiten kommt etwa die Leitlinie „Arbeiten unter klimatischen Belastungen“ der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) von 2022.

Die gar nicht so indirekten Folgen

Kommunale Unternehmen stehen vor einer besonderen Herausforderung. Sie sind als Betreiber öffentlicher Infrastruktur die Garanten dafür, dass die Gesellschaft als Ganzes funktioniert. Zugleich ist die öffentliche Infrastruktur in besonderem Maße von Klimafolgen betroffen.

Die für Deutschland sichtbarste Folge des Klimawandels ist der immer häufiger auftretende Starkregen. Kaum ein Aufgabenbereich der kommunalen Unternehmen, der davon nicht betroffen ist. Kanalisationen und Kläranlagen laufen über, Verkehrswege und Versorgung werden unterbrochen, am Ende bleibt viel aufzuräumen.

Für die Beschäftigten bedeutet das: Zusätzlich zu den allgemeinen und berufsspezifischen Belastungen durch Klimafolgen kommen auch umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten hinzu. Die Arbeitsbelastung steigt, die psychische Belastung durch die immer häufigere Konfrontation mit Krisenszenarien und Schockereignissen noch nicht mit eingerechnet. Ebenso wenig der zu erwartende Verlust an Produktivität.

Für die Unternehmensebene stellen sich weiterführende Fragen. Wie lassen sich angesichts von Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung diese zunehmenden Herausforderungen und Arbeitsbelastungen rein quantitativ bewältigen? Wie lassen sich Infrastrukturen, aber auch Dienstleistungen klimaresilient umgestalten? Nicht zuletzt: Woher kommen die finanziellen Mittel für Instandhaltung und heute schon absehbare Investitionsbedarfe?

Ausblick

Klimawandel zu ignorieren ist ein Luxus, den sich die kommunalen Unternehmen nicht leisten können. Während auf internationaler oder nationaler Ebene Klimafolgen „interpretiert“ oder sogar wegdiskutiert werden können, treffen sie die örtliche Infrastruktur mit zunehmender Frequenz und Wucht. Nötig sind deshalb langfristige Strategien unter Betrachtung unterschiedlicher Risikoszenarien.

Und naheliegend ist es, diese gemeinsam mit anderen Akteuren im Netzwerk zu entwickeln. Kommunalen Unternehmen kommt dabei zugute, dass sie das Netzwerken kennen und weniger im Konkurrenzdenken verhaftet sind wie private Unternehmen. Ein weiterer Vorteil ist die exzellente Wissenschaft in Deutschland – wir sind Weltmarktführer in der Klimaforschung.

Der erste Ansatzpunkt zur Entwicklung sollte aber die eigene Belegschaft sein. Diejenigen, welche die Folgen jetzt schon im Alltag spüren, können wichtige Impulse geben. Und zugleich sind sie darauf angewiesen, eine klare Perspektive seitens des Unternehmens zu bekommen, welchen Herausforderungen man sich wie stellen will.

Schließlich liegt in der gesteigerten Aufmerksamkeit für den Klimawandel und seine Folgen noch eine weitere positive Folge: Die Sensibilisierung für die „Selbstverständlichkeit“ einer funktionierenden Infrastruktur kann Wertschätzung und Bedeutungszuwachs für kommunale Unternehmen auslösen. (bs)