Karriere

„So kommen wir wieder ans Steuerrad der Diskussion“

Interview mit Peter Brandl über erfolgreiche Kommunikation im Unternehmen, mit Kunden und Geschäftspartnern, aber auch im privaten Alltag.
09.01.2024

Peter Brandl ist ehemaliger Berufspilot, Berater und Autor.

Wieso beschäftigt sich ein Pilot mit Kommunikation?

Wenn beim Fliegen Unfälle passieren, liegt das nur selten an der Technik, auch wenn viele sich genau davor fürchten. In den meisten Fällen liegt es an unglücklichen menschlichen Eingriffen mit tragischen Folgen. Dabei ist die Ursache überraschend oft misslungene Kommunikation an Bord. Menschen missverstehen sich oder kommunizieren gar nicht erst, und gegen dieses allzu Menschliche sind auch Piloten und Co-Piloten nicht gefeit.

Dank Cockpit-Voice-Recordern und Flug-Datenschreibern existiert in der Fliegerei eine große Datenbasis und hervorragendes Know-how darüber, wie es zu Krisen und leider auch schweren Unfällen kommt. Erstaunlich oft zeigt sich dabei, dass es zwischen der Kommunikation im Cockpit eines Flugzeugs und in einem Unternehmen viele Parallelen gibt. Laut Statistik sind schon ca. 15 bis 20 Prozent der Arbeitszeit selbst in Betrieben ohne signifikante Probleme mit Reibereien und Konflikten gefüllt.

Und wenn, wie die Gallup-Studien sagen, 20 bis 30 Prozent aller Mitarbeiter keine emotionale Bindung zum Arbeitgeber haben, so zeigen die zugehörigen Baustellen, wie sehr es auch bei der Kommunikation hapert. Gelingende Kommunikation verhindert also nicht nur Flug- und Unternehmenskrisen, sondern erhöht auch die Produktivität. Denn weniger Konflikte, Missverständnisse und unnötige Abstimmungen steigern die Arbeitsfreude, beschleunigen die Prozesse, lassen Mitarbeiter loyaler sein und machen die Organisation schlagkräftiger.

Welche Rolle spielt Selbsterkenntnis im Zusammenhang mit Kommunikation?

Wir Menschen leiden allgemein unter zwei Effekten. Der erste von beiden ist der sogenannte blinde Fleck. Dieser beginnt schon bei uns selbst, wenn uns zum Beispiel nicht bewusst ist, wie oft wir uns räuspern oder kleine sprachliche Macken haben. Denken Sie nur an das berühmte „Boris-Becker-Äh“, das seine Interviews prägte. Es gibt aber auch größere blinde Flecken, wenn wir etwa nicht mitbekommen, mit welchem unbewussten Verhalten wir gerade einen Dialog torpediert haben. Um diesen blinden Fleck zu verkleinern, ist Selbsterkenntnis sehr, sehr wichtig.

Der zweite Effekt ist fast noch gravierender und wurde von Paul Watzlawick beschrieben. Wir gehen in der Kommunikation ganz natürlich davon aus, dass der andere schuld ist, wenn ein Gespräch, eine Diskussion oder eine Verhandlung zum Desaster werden. Vereinfacht gesagt, erleben wir unser Verhalten immer als Antwort, als Reaktion auf das Verhalten unseres Gegenübers. Also muss dieses auch schuld sein.

Vielleicht sollte man statt Selbsterkenntnis besser Selbstwahrnehmung sagen, mit der wir erkennen, was unser eigener Anteil daran ist, wenn die Kommunikation schiefgeht.

Mit welcher Verhandlungstechnik erreicht man seine Ziele am besten?

Am besten ist es, auf Verhandlungen gut vorbereitet zu sein. Dazu zählt neben der inhaltlichen Vorbereitung auch eine taktische. Für Letztere gibt es eine Reihe von Modellen, die mal mehr, mal weniger komplex sind. In den meisten Fällen genügt schon ein einfacher Fahrplan mit drei Fragen, die man sich beantwortet, um so in die Verhandlung zu gehen.

Erstens: Was genau ist mein Ziel? Denn je klarer wir unser Verhandlungsziel formulieren können, desto zielorientierter ist unser Mindset und desto besser können wir den Dialog dirigieren. Präzision ist dabei wichtig. So wäre mein Ziel als Verkäufer nicht, meinen Kunden umfassend zu informieren, sondern ihn mit qualifizierter Beratung zum heutigen Abschluss zu bewegen, ohne dass er noch mal drüber schlafen will.

Zweitens: Was hat der andere davon? Natürlich sind wir von unseren Verhandlungszielen selbst überzeugt. Dafür gewonnen werden muss der Mensch, der uns gegenübersitzt. Einen Arbeitgeber interessiert nicht, ob wir mit meiner Gehaltsforderung in eine größere Wohnung ziehen wollen, sondern was wir für das Geld zu leisten bereit sind. Viele werden hier abwinken und sagen: „Das mach’ ich doch eh schon.“ In Wahrheit aber sind die meisten mehr bei sich als beim anderen.

Wozu fordere ich auf? In unserem Kulturkreis ist direktes Fordern fast ein bisschen verpönt. Schließlich wollen wir niemanden unter Druck setzen oder verprellen. Lieber sagen wir es durch die Blume und legen über sprachliche Verrenkungen nahe, unser Angebot anzunehmen. Im Endeffekt bekommen wir aber immer nur, wozu wir explizit auffordern. Denn wenn unser Angebot so gut ist, wie wir glauben: Warum sollten wir dann defensiv agieren, was auf unseren Verhandlungspartner unsicher wirkt?

Haben Sie noch einen Tipp für den Fall, dass eine Diskussion uns zu entgleiten droht?  

Eine Art Notfallplan ist die sogenannte KAO-Technik.Schritt eins heißt „Klappe halten“ und den entrüsteten Satz eben nicht sagen, mit dem wir unser Gegenüber gerade anspringen wollen. Damit ist die Eskalation schon ausgebremst.

Schritt zwei heißt „ausatmen“: Ganz bewusst Bauch und Zwerchfell entspannen, um dann lange und ruhig auszuatmen. Damit gewinnt man nicht nur Zeit, sondern das führt auch dazu, dass wir uns abregen und verbale Kurzschlüsse verhindern, die wir nicht mehr beheben können.

Der dritte Schritt heißt „offene Frage“: Statt genervte Statements zu formulieren oder mit suggestiven Ja-Nein-Fragen Öl ins Feuer zu gießen, fragen wir mit sogenannten „Rescue-Fragen“ erstmal zurück: „Was genau meinst du damit?“ Darauf muss unser Partner reagieren und braucht Zeit dafür. Und so kommen wir wieder ans Steuerrad der Diskussion.  

Die Fragen stellte Elwine Happ-Frank