International

"Idiotisch": Der düstere Blick des Trump-Vize auf Deutschlands Energiewende

Die US-Republikaner rüsten sich für den Wiedereinzug ins Weiße Haus. Doch welche Energiepolitik vertreten sie und welche Rolle spielt dabei Deutschland? Ein Überblick.
18.07.2024

Zwei Trumps, ein Vance, eine Weltsicht: Auch der neue Vizepräsidentschaftskandidat (Mitte) kann nichts mit der deutschen Energiewende anfangen.

Was erwartet Deutschland, wenn im Januar 2025 Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen sollte? Energiepolitisch fährt der Präsidentschaftskandidat der Republikaner einen klaren Kurs: "Drill, Baby, Drill", ist das Motto. Sprich: "Bohr, Baby, bohr" – und zwar weniger nach grüner Erdwärme, sondern nach Öl und Gas.

Denn: "Die Vereinigten Staaten haben mehr liquides Gold unter [ihren] Füßen als jegliche andere Nation" – und zwar mit weitem Abstand, heißt es im Wahlprogramm der Republikaner. "Die Republikanische Partei wird dieses Potenzial nutzen."

"Ich liebe Deutschland"

Was die von der mächtigen Ölindustrie unterstützte republikanische Spitze von der deutschen Energiewende hält, hat der republikanische US-Senator J.D. Vance aus dem zunehmend konservativen Ohio einmal so beschrieben: "Idiotisch". Trump machte Vance in dieser Woche zum Vizepräsidentschaftskandidaten.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu Beginn dieses Jahres führte Vance aus, warum er so denkt. "Ich will Deutschland nicht fertigmachen, weil ich Deutschland liebe", sagte der Republikaner bei einem Panel.

Blick auf Industrieanteil an BIP

Deutschland sei auch das vielleicht einzige Land in der Nato gewesen, das seine Industrie nicht durch "dumme" Wirtschaftspolitik zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren weitestgehend verloren habe, erläuterte er. "Gerade aber jetzt, wenn [Russlands Präsident Wladimir] Putin immer mächtiger ist, beginnt Deutschland sich zu deindustrialisieren?"

Vance spielte offensichtlich auf den Anteil von Industrie und Gewerbe am Bruttoinlandsprodukt eines Landes an. Der Industrie- und Gewerbeanteil Deutschlands an der gesamten Wirtschaftsleistung ist mit 19 Prozent (2023) größer als in anderen westlichen Wirtschaftsnationen wie den USA (2021: 11 Prozent), Frankreich (2023: 10 Prozent) oder Großbritannien (2023: 9 Prozent).

Biden-Zitat in Ampel beliebt

Noch nicht ausgemacht ist dagegen, dass die Deindustrialisierungsängste in Deutschland Wirklichkeit werden. Laut Weltbank ging der Industrie- und Gewerbeanteil in Deutschland 2023 im Vergleich zum Vorjahr wieder um einen Prozentpunkt nach oben.

Die Ampel-Regierung will sich jedenfalls gegen eine Deindustrialisierung stemmen und beschloss deshalb beispielsweise, das im Herbst geschnürte Strompaket zu verlängern. Insbesondere SPD und Grüne sind ohnehin der Meinung, dass nicht importierte fossile Energien der richtige Weg in die Zukunft sind, sondern vielmehr Investitionen in klimaneutrale Technologien. Als Argument führen sie beispielsweise die deutlich niedrigeren Kosten von Wind- und Solarstrom an. Gern wird in Regierungskreisen der aktuelle US-Präsident Joe Biden zitiert, dessen Motto ist: "Wenn ich an Klimawandel denke, denke ich an Jobs."

Fokus auf mehr Energieproduktion

Sollten die Republikaner in den USA die Macht übernehmen, dürften ganz andere Worte aus dem Weißen Haus kommen. Trump stieg in seiner ersten Amtszeit schon einmal aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus.

Stattdessen will seine Partei die heimische Energieerzeugung "über die ganze Bandbreite" steigern und marktverzerrende Einschränkungen für vermeintlich verlässliche Energieträger wie Öl, Gas und Kohle beenden. Die USA sollen wieder "energieunabhängig" werden – ein Begriff, der in die Irre führen mag.

Sorge um Offshore-Windparks

Tatsächlich sind die USA bereits seit 2017 Netto-Exporteur von Erdgas und seit 2022 durchgängig Netto-Exporteur von Öl. Auch Kohle wird aus den Vereinigten Staaten mehr ex- als importiert. Im Grunde sind die USA also bereits energieunabhängig, wenn dies bedeutet, dass sie im Notfall ihren Energiebedarf selbst decken sollen.

Die ganze Brandbreite ist übrigens auch Auslegungssache. Grüne Energien dürften es unter Trump schwerer haben. Der Republikaner kündigte an, als wiedergewählter Präsident "an Tag eins" Offshore-Windprojekte zu stoppen. Aus seiner Sicht sind Windräder "schrecklich", weil sie Wale und Vögel töten würden.

Bangen um Steuergutschriften

Investoren in erneuerbare Energien fürchten zudem, dass Trump Bidens Energiewendeprogramm, besser bekannt als IRA, rückgängig machen könnte. Dann wären auch lukrative Steuergutschriften in Gefahr, die Teil des Gesetzespakets sind. Dieses Szenario würde wahrscheinlicher werden, wenn die Republikaner nicht nur das Weiße Haus zurückerobern, sondern auch den Kongress.

Als Trump am vergangenen Wochenende ein Attentat überlebte und Wahlbeobachter in der Folge einen Umfragesprung für die Republikaner erwarteten, knickten Wind-- und Solarenergieaktien ein. Das könnte ein Vorgeschmack darauf sein, was passiert, wenn Trump im November wirklich gewinnen sollte. Einen Energiewendefreund hätte Deutschland dann weder im Weißen Haus noch in der Residenz des Vizepräsienten. (aba)

Mehr ZfK-Blicke ins Ausland:

Le Pens Regierungspläne: Frankreichs Rechte will Bruch mit EU-Energiemarkt

Könnte sich Frankreich vom europäischen Strommarkt abkoppeln?

Zappelnde Gaspreise: Deutschlands Nachbar in der Zwickmühle