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Warum Österreich bis zu 90 Prozent seines Gases aus Russland importiert

Die Umweltministerin ordnet die Zahl in einem Interview ein. Dabei ist Österreich nicht allein. Auch andere mittel- und westeuropäische Länder beziehen weiterhin viel Gas aus Russland.
18.12.2023

Russlands Präsident Wladimir Putin

Es ist eine Zahl, die in so mancher europäischen Hauptstadt zu Stirnrunzeln geführt haben dürfte. Im Oktober stammten nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control 90 Prozent des nach Österreich importierten Erdgases aus Russland. Im September waren es 80 Prozent gewesen.

Als Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler jüngst zu Gast in der ORF-Nachrichtensendung "Zeit im Bild 2" war, wurde sie prompt darauf angesprochen. "Wir haben [...] durch eine Vielzahl von Maßnahmen [...] die Abhängigkeit von russischem Erdgas von 80 Prozent auf ein bisschen über 50 Prozent im letzten Jahr gedrückt", verteidigte sich die Grünen-Politikerin.

"Ist das ausreichend? Natürlich nicht"

"Ist das ausreichend?", fragte sie rhetorisch. "Nein, natürlich nicht. Schwanken diese Anteile auch deutlich zwischen den Monaten? Ja, auch das."

Die im Oktober eingeführten Gasmengen aus Russland seien aber wesentlich geringer gewesen als noch vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, ordnete Gewessler ein. "Warum? Weil wir Gas gespart haben und das noch immer tun."

Russische Gasmengen fallend seit Februar 2022

Die österreichische Bundesregierung hat im Internet eine Grafik hochgeladen, die zeigt, wie sich der monatliche Anteil des russischen Gases relativ und absolut seit Februar 2022 entwickelt hat. Demnach wurden bereits seit Juni 2022 weniger Monatsmengen russischen Erdgases nach Österreich geliefert als noch im Februar.

Zur Einordnung: Im Juni 2022 begann der russsische Energiekonzern Gazprom, seine Gasflüsse über die Nord-Stream-Pipeline zu drosseln, ehe er sie Ende August ganz einstellte. Auch österreichische Gasabnehmer wurden bis dahin über Nord Stream mit Gas versorgt. Im September wurde die Pipeline durch eine Sabotageaktion massiv beschädigt.

OMV bezieht Russengas über Langfristverträge

Der österreichische Energieriese OMV bezieht über Langfristverpflichtungen Erdgas aus Russland. Diese Lieferungen seien "konstant wie in den Monaten davor" gewesen, heißt es auf der Internetseite des Umweltministeriums.

Zudem sei der Energieverbrauch niedriger gewesen als in den Vorjahren. Heißt auch: Insgesamt wurde weniger teures Gas gebraucht. Das schadet aber eher Flüssigerdgaslieferanten als Pipelinelieferanten wie Russland, das insbesondere über die Ukraine-Transitroute noch immer Gas nach Österreich schickt.

Volle österreichische Gasspeicher

Überdies seien die Speicher im Oktober bereits gut gefüllt gewesen, was die Nachfrage zusätzlich einbrechen ließ, schreibt das Ministerium weiter. Tatsächlich waren die österreichischen Speicher Anfang Oktober im Schnitt schon zu 95 Prozent voll.

Und trotzdem zeigt der österreichische Fall auch, wie wichtig Russland fast zwei Jahre nach Beginn seines Angriffs auf die Ukraine noch immer als europäischer Gaslieferant ist. Bis heute hat die Europäische Union russisches Erdgas im Gegensatz zu Kohle oder Öl nicht sanktioniert.

Belgische LNG-Importe: 50 Prozent aus Russland

Zwar sind die russischen Pipelineexporte stark zurückgegangen, auch weil Gazprom die Jamal-Route über Polen aufgegeben hat und drei der vier Nord-Stream-Stränge ohne Reparaturen nicht mehr nutzbar sind. Dafür hat Russland als Flüssigerdgaslieferant an Bedeutung gewonnen. Nach Analyse des ZfK-Gaskolumnisten Joachim Endress speisten allein im November 26 LNG-Schiffe ihr Gas an europäischen Häfen aus.

Größter Abnehmer war Belgien. Das LNG-Terminal Zeebrugge importierte im November zwölf Schiffsladungen und insgesamt von Januar bis November 66 Lieferungen aus Russland. Das entsprach der Hälfte aller belgischen LNG-Importe in diesem Zeitraum. Auch Deutschland wird über Zeebrugge mit Gas versorgt.

Spanische Gasimporte steigen stark

Deutlich gestiegen sind seit Kriegsbeginn die russischen Gaslieferungen nach Spanien, wie Zahlen des Gasnetzbetreibers Enagas zeigen. Betrug der russische Anteil am Gasmix der Iberer von Januar bis November 2021 noch neun Prozent, kletterte er im Vergleichszeitraum 2022 bereits auf zwölf Prozent.

Von Januar bis November 2023 machten russische Gasimporte sogar 18 Prozent aus. Auch die absoluten Gasmengen stiegen rasant: von 33 Terawattstunden (TWh) im Vergleichszeitraum 2021 auf 67 TWh in den ersten elf Monaten dieses Jahres.

Spanische EU-Ratspräsidentschaft

Auch diese Zahlen dürften in mancher europäischen Hauptstadt zu Stirnrunzeln führen. Denn zu allem Überdruss hat Spanien in diesem Halbjahr auch noch den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. Den Ibererern folgt im Januar Belgien. (aba)