Gas

TransHyDE: Startschuss für 130 Meter lange Mini-Wasserstoff-Teststrecke

Auf dem RWE-Gelände in Lingen werden neue Pipeline-Technologien unter die Lupe genommen. Das weltweit einzigartige Projekt ist ein Testlauf für das Wasserstoff-Kernnetz.
14.08.2024

Ein RWE-Team vor dem Wasserstoff-Teststand

Das Wasserstoff-Leitprojekt TransHyDE des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat erfolgreich ein Pilot-Wasserstoffnetz in Betrieb genommen. In den kommenden Monaten sollen auf dem RWE-Gelände in Lingen diverse Elemente getestet werden, die für das geplante rund 9700 Kilometer lange Wasserstoff-Transportnetz entscheidend sein werden. Das Mini-Wasserstoff-Netz ist gerade mal 130 Meter lang. Es besteht aus neuen und umgewidmeten Wasserstoff-Leitungen. Das Projektteam will hier fünf Technologien einem weltweit einzigartigen Praxistest unterziehen. 

„Die TransHyDE-Testumgebung bietet uns die einzigartige Gelegenheit, umfassende Untersuchungen zum Aufbau und Betrieb einer sicheren und zuverlässigen Infrastruktur durchzuführen“, erläuterte Philipp Schulte im Walde, Projektleiter für Wasserstoffprojekte bei der RWE Generation SE, im Rahmen eines digitalen Pressegesprächs. Bereits der Aufbau der Wasserstofftestumgebung, inklusive der Umwidmung der bestehenden Erdgasleitungen unter anspruchsvollen Bedingungen, habe gezeigt, dass es machbar ist, ein öffentliches Wasserstoffnetz aufzubauen.  

Wasserstoff-Reinheit im Blick

Unter anderem testet das Projekt ein sogenanntes Gaschromatograph-System zur Messung der Wasserstoff-Reinheit in der Leitung. Zudem eine Containeranlage, die den Wasserstoff aus der Leitung aufreinigt. Denn je nach Anwendung braucht es unterschiedlich reinen Wasserstoff. Während die Stahlindustrie beispielsweise mit Leitungs-Wasserstoff gut auskommt, benötigt die Halbleiter-Herstellung besonders reinen Wasserstoff. 

Damit Netzbetreiber wissen, wie viel Wasserstoff wohin fließt und dadurch gegenüber anderen Netzbetreibern oder Kunden abgerechnet werden kann, werden auch Geräte zur Messung von Wasserstoff-Durchlauf-Mengen einem Praxis-Test unterzogen. Mithilfe eines Teststands testet TransHyDE zudem, wie sich Wasserstoff bei hohen Temperaturen auf unterschiedliche Materialien auswirkt. 

Helikopter zur Überwachung

Das Projekt untersucht auch weitere Bausteine des Transportnetzes. So könnten künftig – wie beim Erdgasnetz – Helikopter zur Überwachung des Netzes eingesetzt werden. Mit speziellen in TransHyDE entwickelten Detektionsgeräten suchen sie aus der Luft nach Kleinst-Leckagen in der Leitung. Dieser Laser wird aus Sicherheitsgründen allerdings nicht in Lingen, sondern in einem Test-Labor getestet. 

Um die Leitungen auch von innen zu inspizieren und schonend zu reinigen, testet das Projekt zudem einen sogenannten Molch. 

Die Henne-Ei Lösung ist da

Für die promovierte Thermodynamikerin Ann-Christin Fleer, die seit über vier Jahren als Referentin für erneuerbare Gase beim Ferngasnetzbetreiber OGE arbeitet, steht fest: „Wir brauchen für Klimaschutz und Resilienz beides: Moleküle und Elektronen.“ Das Kernnetz bringe uns vom Henne-Ei Problem zur Henne-Ei Lösung. „Es verbindet Quellen und Senken und wird sich zum Flächennetz entwickeln.“ Als große Herausforderung benannte sie bei dem Pressegespräch die Qualifizierung der Fachkräfte für das „spezielle“ Gas Wasserstoff. „Sowohl Ingenieure als auch Handwerker müssen mit Blick auf das H2-Zeitalter und den H2-Transport durch unsere Pipelines geschult werden.“

Joachim Müller-Kirchenbauer betonte, dass das Wasserstoffnetz in Deutschland schrittweise aufgebaut werden könne. Es müsse sich weiter entwickeln – mit einer starken europäischen Funktion und eingebettet in einen hoffentlich möglichst bald wettbewerblichen Weltmarkt für Wasserstoff, so der Leiter des Fachgebiets Energie- und Ressourcenmanagement (E&R) an der Technischen Universität Berlin.

„Aus der Systemanalyse wissen wir, dass viele Technologien benötigt werden, die sich ergänzen müssen – Schiffstransport und Pipelines, Kraftwerke und vor allem Untergrundspeicher“, erläuterte der Professor. TransHyDe sei für die Zukunft von Wasserstoffnetzen von zentraler Bedeutung. Aus dem Projekt lasse sich lernen, wie Wasserstoffnetze betrieben, geplant und für die Zukunft optimiert werden können.

Gasverteilnetze nicht vergessen

Für den DVGW erneuerte Frank Graf, Leiter der Bereiche Gastechnologie und Innere Dienste der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des KIT, die Forderung, stärker eine deutschlandweite Anbindung der Gasverteilnetze in den Blick zu nehmen. Ein Großteil der deutschen Industrie, insbesondere des Mittelstands, sei regional angesiedelt. Daher sei ein solcher Schritt unverzichtbar.

Graf ging in seinem Vortrag auch auf die Kritik ein, die etliche Regionen an der bisherigen Planung des Wasserstoff-Kernnetzes haben. Sie wurden – teils trotz bestehender Anträge – nicht berücksichtigt und fürchten nun, dauerhaft abgehängt zu werden. Für Graf ist klar: „Das Wasserstoff-Kernnetz wird auch nach 2032 weiter ausgebaut werden müssen, um bisher nicht berücksichtigte Regionen mit Wasserstoff versorgen zu können.“ 

Am TransHyDE-Projekt GET H2 beteiligte Projektpartner sind Adlares, DVGW ebi, die Universität Potsdam, Evonik, Meter-Q Solutions, Nowega, OGE, Rosen und RWE. (amo)