Karriere

Mit dem Betriebsrat auf Augenhöhe

Changeprozesse gelingen besser, wenn man die Arbeitnehmervertreter mit ins Boot holt. Aber wie? Ein ZfK-Interview mit Rainer Gröbel, Kanzler der Frankurter University of Labour.
02.08.2024

Veränderungen werden von Betriebsräten oft als Bedrohung wahrgenommen, müssen es aber nicht sein.

Herr Gröbel, ein Leitziel der University of Labour ist die Förderung sozialer Nachhaltigkeit. Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat?

Kommunale Unternehmen stehen heute neben der Energiewende vor zahlreichen Herausforderungen. Beispielsweise verändern Automatisierung und Künstliche Intelligenz die Arbeitsprozesse entscheidend. Soziale Nachhaltigkeit bedeutet hier, Mitarbeiter:innen mit Qualifikationen auf die Veränderungen vorzubereiten und sie in die Veränderungsprozesse einzubeziehen.

Doch für Veränderungen müssen die Beschäftigten erst einmal inhaltlich und emotional erreicht werden. Ein wichtiger Schlüssel ist die Erkenntnis, dass eine Unternehmensleitung Transformationen nicht alleine durchsetzen kann – weil sie eben nur begrenzte Möglichkeiten hat. Vielmehr müssen die Betriebsräte mit ins Boot geholt und als Partner und Befürworter für Changeprozesse gewonnen werden. 

Ihre Universität gibt es seit 3,5 Jahren. Wie stoßen die Angebote auf Interesse? 

Unsere Absolvent:innen berichten uns, dass sie nach dem Studium ganz anders mitbestimmen können. Sie werden oft zu proaktiven Gestaltern von Veränderungsprozessen. Das erkennen auch die Führungskräfte auf Seiten der Geschäftsführung. Hier gibt es ein großes Interesse an Bildungsangeboten im Bereich Betriebspartnerschaft. Früher hieß es im Gespräch mit dem Betriebsrat oft "ja oder nein", heute lautet die Frage eher: "Wie kommen wir zu guten gemeinsamen Lösungen?“

Eine enge Kooperation wird ernsthaft angestrebt, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Unsere Studiengänge und Hochschulzertifikate in Themen wie Arbeitsrecht, Digitalisierung, KI oder nachhaltiges Wirtschaften liefern dafür wichtiges fachliches Wissen – und werden von beiden Betriebspartnern mit wachsendem Interesse verfolgt.

Und wo sind Schwachstellen?

Der Wille, etwas zu verändern, muss auf beiden Seiten vorhanden sein und ist dann oft nicht deckungsgleich. Ein gemeinsames Verständnis kann nicht gleich vorausgesetzt werden. Bei den Betriebsräten werden Veränderungen oft erst einmal als eine mögliche Bedrohung empfunden. Bei den Mitarbeitenden ist das mehrheitlich häufig ebenfalls so. Hier gilt es, gemeinsam Ziele zu setzen und miteinander Verabredungen zu treffen: „Wie können wir die Belegschaft überzeugen und Ängste nehmen? Welche Maßnahmen müssen wir dazu treffen?“

Wenn das gelingt, sind die Erfolgsaussichten viel, viel größer. Veränderung kann dann vom Betriebsrat im eigenen Sinne mitgestaltet werden. Es kommt ihnen auf die Richtung und die späteren Angebote an.

Was wäre da ein konkretes Beispiel?

Unternehmen stehen oft unter Druck, kurzfristige Veränderungen vorzunehmen und schnell zu reagieren: Personal fehlt und Dienstleistungen können nicht mehr angeboten werden. Hier habe ich tolle Konzepte gesehen, wo schnell und unkompliziert neu eingestellt und wie ein schlüssiges Konzept zur Weiterqualifizierung des vorhandenen Personals entwickelt wurde. Und zwar gemeinsam mit dem Betriebsrat.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kommunalwirtschaft gemacht?

Der Wille zur Veränderung ist da und es gibt Projekte. Dennoch: Im Vergleich zur freien Wirtschaft sehe ich bei kommunalen Führungskräften und Betriebsräten noch viel Luft nach oben. In der Industrie ist die Veränderungsgeschwindigkeit einfach höher. Die Kommunalwirtschaft will ja im Grunde auch in relativ kurzer Zeit zeitgemäßere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringen. Da geht es auch um bessere Versorgung. An der Hochschule können dann große Energieunternehmen und Stadtwerke voneinander lernen. Das ist ein sehr wertvoller Austausch.

Wie erklären Sie sich das unterschiedliche Veränderungstempo?

Der wirtschaftliche Druck ist aus meiner Sicht bei den kommunalen Unternehmen nicht ganz so groß wie in der Industrie. Auch sind nicht immer sofort Arbeitsplätze in Gefahr. Aber das kann täuschen. Der Fachkräftemangel wird schnell zum Problem, wenn wichtige Leistungen – auch für die Kundinnen und Kunden – nicht mehr angeboten werden können und Veränderungen zu langsam erfolgen. Serviceangebote fallen einfach weg.

Was schlagen Sie vor?

In unseren Weiterbildungen geht es eben nicht nur um Fachthemen wie Arbeitsrecht, sondern auch gerade um die Frage, wie Beschäftigte schneller eingebunden werden können. Wie sieht eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe aus? Welche Informationen müssen wann für wen zugänglich sein? Welche Maßnahmen schaffen Vertrauen?

Dazu gehört auch die Sensibilisierung für eine mögliche Mediation, wenn die Meinungen zu weit auseinander gehen. Dann schaut ein Dritter von außen auf das Thema und kann Druck nehmen. Und es gibt spezielle Angebote für alle Hierarchieebenen – auch für Vorstände –, was hilfreich sein kann.

Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Die Zusammenarbeit zwischen Management, Betriebsräten und Gewerkschaften sollte stärker gefördert werden: Ein Austausch könnte auch von offizieller Seite initiiert und mehr Angebote gemacht werden. Weiterbildung sollte mehr im Mittelpunkt stehen, auch durch finanzielle Anreize. Hier müssten bürokratische Hürden abgebaut werden, das wäre gut investiertes Geld.

Und wie sieht die Betriebspartnerschaft bei uns im europäischen Vergleich aus?

Mit dem Ziel, gemeinsam an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu denken und daran zu arbeiten, sind wir den skandinavischen Ländern sehr ähnlich. In Frankreich oder Spanien sind die Fronten oft viel verhärteter. Ich denke, wir haben in Deutschland eine gute Basis der Zusammenarbeit. (bs)

Das Interview führte Boris Schlizio