Deutschland

Regierung will mehr Tempo bei Ausbau von Telekommunikationsnetzen

Der Netzausbau soll beschleunigt werden. Er soll künftig im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen und damit Priorität bekommen. Doch VKU und BDEW fordern Nachbesserungen.
24.07.2024

Bei der flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet gibt es in Deutschland noch Luft nach oben.

Die Bundesregierung will mehr Tempo beim Ausbau von Glasfaser und Mobilfunk machen. Nach längeren regierungsinternen Verhandlungen beschloss das Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen. 

„Wir senden damit das wichtige Signal an die Wirtschaft, dass wir die Digitalisierung entschlossen vorantreiben“, sagte Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr. Umweltschutz und Modernisierung des Landes würden in Einklang gebracht. 

Der Ausbau der Telekommunikationsnetze soll künftig im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen, befristet bis 2030. Das soll Unternehmen Rechtssicherheit geben. Ziel der Regierung ist es, Deutschland bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser und modernsten Mobilfunkstandards zu versorgen. Laut Ministerium gibt es derzeit 92 Prozent Abdeckung beim schnellen Mobilfunk 5G, beim Glasfaserausbau gebe es Fortschritte.

Überragendes öffentliches Interesse

Ein überragendes öffentliches Interesse gibt es bereits zum Beispiel beim Ausbau erneuerbarer Energien. Das soll örtlichen Behörden ermöglichen, bei Abwägungen zum Beispiel mit dem Naturschutz dem Ausbau Vorrang zu geben.

Beim Netzausbau gab es regierungsintern Streit um das Wort «überragendes». Ausnahmen davon soll es im Bereich des Naturschutzrechts geben. Laut Digitalministerium soll das überragende öffentliche Interesse dort gelten, wo der Anbieter, der bauen will, noch keine Mobilfunkversorgung hat. Das seien knapp 17 Prozent der Fläche Deutschlands.

Branche äußert Kritik

In der Branche löst der Vorstoß ein geteiltes Echo aus. „Das Ziel stimmt“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). „Mit dem Gigabit-Grundbuch gibt es auch einen guten Ansatz, die digitalen Infrastrukturen schneller auszubauen, solange die Sicherheit von Informationen über kritische Infrastrukturen oberste Priorität hat. Damit der Glasfaserausbau aber noch schneller vorankommt, müsste der Bundestag das Gesetz nachjustieren. „Beispielsweise sollte der Ausstieg aus Kupfer für den Einstieg in Glasfaser im Sinne eines lebendigen Wettbewerbs geregelt werden, damit nicht länger allein die Telekom entscheidet, wann der Umstieg erfolgt“, so Liebing. 

Der Verbandschef kritisiert, dass mit dem Gesetzentwurf die Gefahr einer „strategisch motivierten Migration“ bestehe: Die Telekom könnte den Umstieg auf Glasfasernetze seiner Wettbewerber so lange hinauszögern, bis sie ihr eigenes Glasfasernetz gebaut hat. Liebing: „Beim Ausstieg aus Kupfer und Einstieg in Glasfaser sollte gelten: Vorfahrt für Glasfaser – und zwar unabhängig von der Frage, wer das Glasfasernetz gebaut hat. Bleibt es, wie es ist, droht die Marktmacht der Telekom aus dem Kupfer- ins Glasfaserzeitalter übertragen zu werden. Das würde den Wettbewerb letztlich zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin empfindlich einschränken.“ Liebings Forderung: Der Bundestag sollte klar regeln, dass die Migration des Datenverkehrs nicht nur zwischen Kupfer- und Glasfasernetzen des marktbeherrschenden Unternehmens erfolgen kann, sondern diskriminierungsfrei ausgestaltet wird. Kunden müssten zeitnah auf die Glasfasernetze anderer Unternehmen wechseln können.

Andreae fordert Nachbesserungen

BDEW-Chefin Kerstin Andreae hofft auf Nachschärfungen im parlamentarischen Verfahren. Zentraler Streitpunkt zwischen den Ministerien und Grund der Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren sei die Frage gewesen, ob dem Glasfaser- und Mobilfunkausbau künftig ein „überragendes öffentliches Interesse“ eingeräumt wird. Der nun geschlossene Kompromissvorschlag geht nach Überzeugung des BDEW in eine positive Richtung, da die Regelung zumindest eingeschränkt aufgenommen wurde. Dies könnte besonders bei Abwägungen im Baurecht und Denkmalschutz Zeit sparen. „Allerdings sehen wir weiterhin Handlungsbedarf bei naturschutzrechtlichen Prüfungen, wo das überragende öffentliche Interesse nach jetzigem Beschluss nur für bestimmte Mobilfunkausbauprojekte gelten soll. Hier braucht es eine Erweiterung auf weitere Ausbaugebiete und auch für Glasfaserinfrastruktur, um den Glasfaser- und Mobilfunkausbau bis 2030 in allen Regionen zu ermöglichen“, sagt Andreae.

Im Hinblick auf die veränderte sicherheitspolitische Lage sei zudem entscheidend, das Telekommunikationsgesetz mit weiteren Regelungen bezüglich der Datenlieferungspflichten sowie einem eindeutigen Sicherheits- und Zugriffskonzept für das Gigabit-Grundbuch zu ergänzen. „Wir fordern hier eine Auseinandersetzung im parlamentarischen Prozess in Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder. Das Risiko für Sabotage von Telekommunikationsinfrastruktur muss minimiert werden.“ (amo/mit dpa)