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"Die Berichtspflicht setzt eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie voraus"

Künftig müssen deutlich mehr kommunale Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Worauf es dabei ankommt und wie Stadtwerke davon profitieren können, zeigt ein Gastbeitrag der Asew auf.
18.12.2023

Bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse in der EU müssen bereits seit einigen Jahren über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten Bericht erstatten. Diese Berichtspflicht soll nun erheblich ausgeweitet werden.

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Vier englische Worte, die für die europäischen Unternehmen eine ganze Menge an neuer respektive zusätzlicher Arbeit bringen. Die Richtlinie ist seit dem 5. Januar 2023 in Kraft. Binnen 18 Monate müssen ihre Vorschriften nun von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse in der EU müssen bereits seit einigen Jahren über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten Bericht erstatten. Diese Berichtspflicht soll nun erheblich ausgeweitet werden. Betroffen sind in Deutschland auch viele Stadtwerke. Doch was heißt das nun genau? Wie funktioniert so ein Nachhaltigkeitsbericht? Was ist bei seiner Erstellung zu beachten? Goldy Raimann ist Senior-Projektmanagerin Nachhaltigkeit bei der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW), sie gibt in diesem Gastbeitrag einen Überblick über die wichtigsten Regelungen.

Die CSRD bringt für viele Unternehmen eine Nachhaltigkeits-Berichtspflicht. Was heißt das genau?
Goldy Raimann: In Deutschland besteht bereits seit 2017 eine Verpflichtung zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten, bekannt als das "Corporate Social Responsibility Richtlinien Umsetzungsgesetz" (CSR-RUG). Bisher galt diese Verpflichtung hauptsächlich für große Konzerne, insbesondere im Versicherungs- und Bankensektor.

Der Detailgrad der Nachhaltigkeitsberichte
ist deutlich gestiegen.

Die neue EU-Richtlinie hingegen betrifft Großunternehmen, wobei nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen müssen, um unter diese Berichtspflicht zu fallen: 1. Eine Mitarbeiteranzahl von 250 oder mehr. 2. Umsatzerlöse von 50 Millionen Euro oder mehr. 3. Eine Bilanzsumme von 25 Millionen Euro oder mehr. Im Gegensatz zur vorherigen Nachhaltigkeitsberichtspflicht sind nun wesentlich mehr Unternehmen von dieser Verpflichtung betroffen und die Anforderungen an die Berichterstattung haben sich erheblich verschärft.

Der Detailgrad der Berichte ist deutlich gestiegen. Die neue Berichtspflicht hat auch einen neuen Nachhaltigkeitsberichtsstandard (ESRS: European Sustainability Reporting Standard) von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) hervorgebracht. Dieser Standard ist in 12 Sets unterteilt und erfordert praktisch ein fundiertes Nachhaltigkeitsmanagement sowie eine klare Strategie – alleine das ist bereits eine sehr umfangreiche Aufgabe für viele Unternehmen.

Betroffen sind demnach auch eine ganze Reihe von Stadtwerken. Was müssen diese nun wissen, Stichwort Einplanung von Personalressourcen?
Durch den ESRS sind die Anforderungen an den Nachhaltigkeitsbericht und folglich auch an die Unternehmensstrategie erheblich detaillierter geworden. Eine wesentliche Neuerung ist die Notwendigkeit einer gründlichen Wesentlichkeitsanalyse, die die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens unter die Lupe nimmt.

Sämtliche Bereiche des Unternehmens
sind in irgendeiner Form von dieser Berichtspflicht betroffen.

Dabei werden finanzielle Risiken und Chancen, materielle Auswirkungen sowie der Einfluss des Unternehmens auf die Umwelt und umgekehrt besonders fokussiert. Nach Abschluss der Wesentlichkeitsanalyse beginnt die Entwicklung von Teilstrategien, beispielsweise im Bereich des Klimaschutzes. Die obligatorischen Kennzahlen wie die Emissionen in den Bereichen Scope 1, 2 und 3 sowie der Energieverbrauch müssen eigenständig erfasst werden.

Es wird schnell offensichtlich, dass hinter jedem einzelnen Themenfeld eine umfangreiche Menge an Daten und Strategien steht, die in der Regel aus verschiedenen Unternehmensbereichen stammen oder erst erhoben und entwickelt werden müssen.

Nachhaltigkeitsmanager:innen mit
akademischem Hintergrund sind tatsächlich relativ selten.

Das bedeutet, dass sämtliche Bereiche des Unternehmens in irgendeiner Form von dieser Berichtspflicht betroffen sind. Ohne eine effektive Koordination kann dies leicht zu Chaos führen. Zudem herrscht ein großer Mangel an qualifiziertem Personal für das Nachhaltigkeitsmanagement.

Nachhaltigkeitsmanager:innen mit akademischem Hintergrund sind tatsächlich relativ selten, da der Studiengang erst seit wenigen Jahren existiert. Darüber hinaus ist praktische Erfahrung unerlässlich, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

Das heißt, die Arbeit, die hier zu leisten ist, ist ganz enorm – und damit auch die Zeit, die man veranschlagen muss. Nichts also, was man mal eben so im Vorbeigehen erstellt?
Richtig, die Berichtspflicht setzt eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie voraus. Diese Strategie umfasst Aspekte der Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und sozialen Verantwortung und stellt somit eine ganzheitliche Unternehmensstrategie dar.

Die Entwicklung und Umsetzung erfordert zahlreiche Schritte und Abstimmungsprozesse, die eine gründliche Bearbeitung erfordern. Dies kann zweifellos als eine bedeutende Chance betrachtet werden, die Unternehmensstrategie zu verbessern und zielgerichteter auszurichten. Ebenso werden die Überwachung und die Ergebnisse in den folgenden Jahren berichtet. Dies ist ein langfristiger Strategieansatz.

Es besteht die Gefahr, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen,
die möglicherweise gar nicht erforderlich sind.

Gibt es denn Unterstützung für Stadtwerke, die sich davon eventuell überfordert fühlen könnten?  
Derzeit beobachten wir eine Vielzahl von Dienstleistungen, die darauf abzielen, die Anforderungen der CSRD zu erfüllen; auch Schulungen zum CSRD-Manager werden angeboten, obwohl die genaue Bedeutung dieses „Berufs“ zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht definiert sein kann.

Viele Anbieter nutzen die Unsicherheit von Unternehmen aus und versprechen Dinge zu erfüllen, für die in Deutschland noch keine rechtliche Grundlage besteht. Aufgrund des Mangels an Informationen besteht die erhebliche Gefahr, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die möglicherweise gar nicht erforderlich sind.

Was raten Sie Stadtwerken, die jetzt völlig neu an das Thema Nachhaltigkeitsberichte herangehen?
Beginnen Sie zunächst damit, tief durchzuatmen und sich vielleicht eine etwas größere Tasse Tee oder Kaffee zuzubereiten. Verfallen Sie nicht in Panik. Es ist von großer Bedeutung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und dies in Zusammenarbeit mit Personen aus allen relevanten Bereichen zu tun, denn diese kennen ihr Unternehmen besser als jeder externe Dienstleister.

Gemeinsam sollten Sie erörtern, welche Schritte tatsächlich erforderlich sind. Es ist hilfreich, wenn alle gut informiert sind und sich nicht blind auf Versprechungen von Dienstleistern verlassen. Kurz gesagt: Informieren Sie sich zuerst, stimmen Sie sich ab und analysieren Sie genau, wo Sie tatsächlich Unterstützung benötigen.

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Die Asew bietet Informationsveranstaltungen bis hin zu CSRD-Readiness-Checks an, bei denen gemeinsam mit den Mitgliedern die Umsetzung dieser Verpflichtung erörtert wird. Aktuell wird gemeinsam mit den Mitgliedern an einer Branchenlösung zur Erarbeitung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse gearbeitet.