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Spitznagel: "Wir hoffen auf einen Bericht, der den DNK-Standard und die CSRD erfüllt"

Die Berliner Stadtreinigung berichtet seit vielen Jahren bereits freiwillig nach dem DNK. Im Interview erklärt Markus Spitznagel, warum die Branche auf eine Weiterentwicklung des Standards hofft, und welche Effizienzen die CSRD-Umsetzung bringen könnte .
16.05.2024

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist nach eigenen Angaben das größte kommunale

Straßenreinigungs- und Abfallwirtschaftsunternehmen Deutschlands und war an der Entwicklung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex mitbeteiligt.

 

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist mit rund 6.200 Beschäftigten das größte kommunale Straßenreinigungs- und Abfallwirtschaftsunternehmen Deutschlands. Zu ihren Kernaufgaben gehören Straßenreinigung, Winterdienst, Müllabfuhr und Abfallbehandlung. Zu den Kerngeschäftsfeldern der BSR gehören ganzheitliche Stadtsauberkeit sowie nachhaltige Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft.

Die Unternehmensstrategie der BSR ist nach eigener Aussage deckungsgleich mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Deshalb hat das Unternehmen schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf freiwilliger Basis alle zwei Jahre eine Erklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) abgegeben – lange vor der Verpflichtung öffentlicher Unternehmen in Berlin, nach dem DNK zu berichten. Nach eigenen Angaben ist die BSR das erste kommunale Unternehmen gewesen, dass nach DNK berichtet hat, und war auch an dessen Entwicklung mitbeteiligt.

Ab 2025 ist die BSR verpflichtet, nach der CSRD berichten

Weiterhin veröffentlicht die BSR regelmäßig einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht. Ab dem Berichtsjahr 2025 wird die BSR dann auch verpflichtet sein, nach der Europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinie – der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – zu berichten. Ein Interview mit Markus Spitznagel, dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Berliner Stadtreinigung.

Die Umsetzung der CSRD ist auch Fokusthema bei der diesjährigen ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz am 17. Juni in Berlin. Gastgeber der Konferenz sind die Berliner Stadtreinigung und abends, in der besonderen Atmosphäre des Towers am Flughafen Tempelhof, die Gasag. Erstmals werden bei der Tagung auch vertiefende Workshops im kleineren Kreis angeboten. Zur Anmeldung geht es hier

BTC und das Beratungsunternehmen Limón werden bei der Veranstaltung einen Workshop zum Thema "THG-Bilanzierung im Rahmen des ESRS E1" anbieten, dabei soll auch der Aspekt der Datenanbindung genauer betrachtet werden. Die „Integration von EU-Taxonomie- und CSRD-Daten in eine spartenübergreifende Berichterstattung“ steht im Mittelpunkt einer Breakout-Session von Lufthansa Industry Solutions. Weitere Kooperationspartner bei der Veranstaltung sind die Deutsche Kreditbank (DKB) und Rödl & Partner.

"Auch eine Branchenlösung, insbesondere für die Wesentlichkeitsanalyse,
wäre zur Umsetzung der CSRD-Vorgaben sehr hilfreich."

Herr Spitznagel, wird die Berliner Stadtreinigung künftig nach zwei Standards berichten, für den Berliner Senat nach dem DNK und für die EU nach der CSRD?
Ich hoffe, dass es hier eine Vereinfachung geben wird: Einen Bericht, der beide Standards erfüllt. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) arbeitet unter Beteiligung vieler Stakeholder bereits daran, dass künftig eine Erklärung nach DNK auch die Anforderungen der CSRD erfüllt. Angestrebt wird, dass sowohl berichtspflichtige Unternehmen als auch in vereinfachter Form kleinere und mittlere Unternehmen dies umsetzen können.

Viele Unternehmen, darunter auch wir, haben den Wunsch, den DNK auf diese Weise weiter zu entwickeln und zu ertüchtigen, damit dieser auch die Vorgaben der CSR-Direktive erfüllt. Der RNE will im Laufe des Jahres Entwürfe präsentieren.

Ich gehe davon aus, dass die CSRD-Vorgaben künftig weitestgehend über den DNK umgesetzt werden können. Mit dem DNK stünde möglicherweise sogar eine kostenfreie Softwarelösung für die CSRD-Berichterstattung zur Verfügung. Zur Umsetzung der CSRD-Vorgaben wäre in diesem Zusammenhang eine Branchenlösung, insbesondere für die Wesentlichkeitsanalyse, sehr hilfreich.
 

An was denken Sie da konkret?
Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein zentraler Baustein der heutigen und noch mehr der künftigen Berichterstattung. Dort wird ermittelt, welche Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen von besonderer Bedeutung sind und im Fokus des Nachhaltigkeitsmanagements stehen sollten.

Das ist mit viel Aufwand verbunden und kann nicht von jedem Unternehmen so einfach umgesetzt werden. Hier würde ich eine Branchenlösung analog zum DNK-Leitfaden für die Abfallwirtschaft von 2016, den wir in der Großstädterunde der kommunalen Abfallwirtschaft und Stadtreinigung zusammen mit dem VKU erarbeitet haben, anstreben.

Dies hätte den Vorteil, dass die Unternehmen beispielsweise einen empfohlenen Katalog wesentlicher Themen zur Verfügung gestellt bekommen und somit innerhalb der Branche bei der Umsetzung der CSRD voneinander profitieren und leichter bei Nachhaltigkeitsthemen zusammenarbeiten können.

"Wir schauen uns genau an, was in den bestehenden Systemen
auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzahlt."

In der aktuellen Diskussion überwiegen häufig die mit der Umsetzung der CSRD-Vorgaben verbundenen hohen Mehraufwände. Wo liegen mittel- bis langfristig die Chancen für die Berliner Stadtreinigung?
Ich sehe für uns große Chancen bei Themen wie Transparenz, Effizienz und Unternehmenssteuerung. Mit der Einführung der CSRD wollen wir unser Nachhaltigkeitsmanagement ertüchtigen Die vorhandenen Regelkreisläufe werden wir bezüglich Nachhaltigkeit nachschärfen, um die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in den einzelnen Bereichen noch stärker in den Fokus zu rücken.

Zwecks effizienter Nutzung vorhandener Managementsysteme werden wir unter dem Dach der CSRD auf die bestehenden Systeme wie Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutz-, Compliance- oder Risikomanagementsystem zugreifen und beispielsweise die für die Berichterstattung notwendigen Daten zusammenführen.

Wir schauen uns genau an, was in den bestehenden Systemen auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzahlt. Die damit einhergehende Transparenz führt dazu, dass wir Effizienzgewinne heben können, indem wir bestehende Doppelarbeiten abstellen können an Stellen, wo diese derzeit auf Grund der vielen verschiedenen Managementsysteme erfolgt. Für die zusätzlich zu berichtenden Nachhaltigkeitsthemen und -ziele haben wir die Chance, diese beispielsweise im Rahmen von jährlichen Zielvereinbarungen noch verbindlicher zu gestalten.

"Auch nicht-berichtspflichtige Unternehmen werden an der Erhebung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsdaten nicht vorbeikommen."

Sind Nachhaltigkeitsdaten eigentlich nur für berichtspflichtige Unternehmen bedeutsam?
Berichtspflichtige Unternehmen wie beispielsweise große Wohnungsbaugesellschaften in Berlin müssen im Rahmen der CSRD-Berichterstattung auch ihre Lieferkette genau betrachten. Daher werden sie künftig auch von ihrem (kommunalen) Abfallentsorger wissen wollen, was mit den abgegebenen Abfällen passiert oder wie viel CO2-Emissionen die durch ihn erbrachte Leistung verursacht.

Das heißt, auch nicht-berichtspflichtige Unternehmen wie beispielsweise kleine Entsorgungsunternehmen werden an der Erhebung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsdaten nicht vorbeikommen, einfach weil sie in der Lieferkette von berichtspflichtigen Unternehmen auftauchen. Gerade deshalb finde ich es wichtig, einen Branchenleitfaden oder eine Vorlage für die kleineren Unternehmen der Branche zu erreichen, damit diese nicht alles komplett selber erarbeiten müssen.

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)

Bereits erschienene Beiträge zur Konferenz und zum Themenfeld:

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/wir-wissen-noch-nicht-ob-wir-einen-oder-zwei-nachhaltigkeitsberichte-erstellen-muessen

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/esg-berichterstattung-beim-aufstellen-neuer-prozesse-bereits-optionen-fuer-automatisierung-schaffen

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/csrd-umsetzung-stadtwerke-nennen-datenverfuegbarkeit-als-groesste-herausforderung

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/die-kieztage-foerdern-das-bewusstsein-fuer-abfallvermeidung

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/die-einzelnen-prozesse-sollten-von-beginn-an-digital-und-automatisiert-abgebildet-werden

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/aufwand-bei-der-erfuellung-der-csrd-anforderungen-nicht-unterschaetzen

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/das-thema-nachhaltigkeitsdaten-nimmt-gerade-erst-fahrt-auf

https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/kleinere-stadtwerke-reagieren-da-zum-teil-noch-sehr-emotional