Nachrichten

"Wärmewende bedroht": Stadtwerke geben Einblick in BMP-Greengas-Misere

Der Unmut in der Kommunalbranche über das Vorgehen des Biogashändlers bleibt groß. Dabei steigt auch der Druck auf den Mutterkonzern EnBW – und das Land Baden-Württemberg.
18.08.2023

Für die Gemeindewerke Garmisch-Patenkirchen und die Stadtwerke Schwäbisch Hall ist Biomethan eigentlich ein zentraler Baustein ihrer Wärmewendestrategie. Die Insolvenz ihres Lieferanten BMP Greengas trifft sie deshalb hart. (Symbolbild)

Auch wenn die Notlage des Biogashändlers BMP Greengas eine millionenschwere Wertberichtigung nach sich zog, lief es beim Energiekonzern EnBW in den ersten sechs Monaten dieses Jahres insgesamt blendend. (Die ZfK berichtete.)

Die Verärgerung in der Kommunalwirtschaft ist dagegen nach wie vor groß, auch weil es aus ihrer Sicht in der Politik bislang relativ ruhig geblieben ist. Dabei drohen vielen Stadtwerken hohe Schäden, wenn sie Vertragsanpassungen und Mengenkürzungen des Biogashändlers akzeptieren.

Südweststrom: "Eigentum verpflichtet"

"Eigentum verpflichtet", sagt Daniel Henne, Geschäftsführer der Stadtwerke-Kooperation Südweststrom. "Das gilt vor allem in Krisenzeiten." Der Manager erinnert an die EnBW-Gastochter VNG, die auf dem Höhepunkt der Energiekrise staatliche Unterstützung erhielt.

"Im Fall von BMP Greengas dagegen sollen die Stadtwerke nun den nicht von ihnen verschuldeten Schaden selbst tragen. Und das, obwohl EnBW im vergangenen Jahr einen Konzernüberschuss in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro ausgewiesen hat."

Baden-Württemberg EnBW-Großaktionär

BMP Greengas ist eine Tochter der Erdgas Südwest. Diese gehört mehrheitlich der Karlsruher EnBW. Deren Hauptaktionäre sind das Land Baden-Württemberg und die OEW, ein Zusammenschluss mehrerer Landkreise im Südwesten.

Henne hält es für bedauerlich, dass Gesellschafter und Kontrollgremien nicht aktiver gehandelt hätten, um den Schaden ganzheitlich zu regulieren. "Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass man die VNG mit Staatsmitteln rettet, im BMP-Fall dann aber Risiken auf die Stadtwerke abwälzt", sagt der Südweststrom-Chef.

"Kein gutes Zeichen für zukünftige Geschäftsmodelle"

Enttäuscht zeigt sich auch Tobias Bringmann, Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe Baden-Württemberg. "Es sind doch gerade die Kommunen, mit denen EnBW-Töchter beispielsweise Verträge für Windkraftstandorte schließen wollen", sagt er. "Ein solches Verhalten wie bei BMP Greengas ist da doch kein gutes Zeichen für zukünftige Geschäftsmodelle."

Geht es nach dem Landesgruppenchef, müssten nun auch kommunale Beteiligungen der Netze BW neu bewertet werden. "Letztlich heißt das doch: Verträge mit Tochterunternehmen des EnBW-Konzerns sind nicht werthaltig. Deshalb sollte ein Geschäftsvorfall wie mit BMP nicht nur rein monetär betrachtet werden."

Schaden in höherem zweistelligen Millionenbereich

Zu den betroffenen Kommunalversorgern zählen die Gemeindewerke Garmisch-Patenkirchen. Das BMP-Insolvenzverfahren bedeutet für die Südbayern, dass ein bestehender Biomethanliefervertrag bis 2034 nicht mehr erfüllt wird. "Das haben wir [...] inzwischen schriftlich", sagt Vorstand Wodan Lichtmeß. Der Schaden gehe bis Vertragsende in einen höheren zweistelligen Millionenbetrag.

Damit sei auch die seit langem nachhaltig angelegte und schon realisierte Fernwärmestrategie vermutlich hinfällig, fürchtet Lichtmeß. Diese baue auf selbst erzeugtem Biogas und zugekauftem Biomethan auf und sei so auch gegenüber den Kunden beworben worden. Dabei sei Biomethan – wie in der Energiewirtschaft üblich – bislang verlässlich geliefert worden. "Der bereits entstandene Image- und Vertrauensschaden in das Gelingen der Energiewende und in grüne Energiewirtschaft wird kaum zu fassen sein."

"Projekt Wärmewende bedroht"

Lichtmeß setzt nun auf EnBW und das Land Baden-Württemberg. Er sei zuversichtlich und vertraue darauf, dass diese sich nicht hinter operative Kompetenzen von nachgeordneten Unternehmen und Insolvenzverfahren versteckten, sondern ihrer Verantwortung bewusst seien und alles im Bereich ihrer Möglichkeiten unternehmen würden. "Es sollte inzwischen klar sein, dass es nicht nur um die Biomethanstrategie des Landes Baden-Württemberg geht, sondern bundesweit das gesamte Projekt Wärmewende bedroht ist."

Lichtmeß erinnert an den berühmten Leitspruch von Mario Draghi, der als damaliger Präsident der Europäischen Zentralbank auf dem Höhepunkt der Eurokrise sagte: "Whatever it takes", "was auch immer notwendig ist".

Schlüsselfigur Danyal Bayaz?

Einer der Schlüsselakteure bei der Lösung der BMP-Misere könnte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz sein. Der Grünen-Politiker ist nicht nur Herr der Kassen im Südwesten, sondern sitzt auch in den Aufsichtsräten der EnBW und der Landesbank Baden-Württemberg. Auf die ZfK-Frage, wie Bayaz den Fall BMP Greengas bewerte, antwortete eine Ministeriumssprecherin, dass ihr Haus nicht in das operative Geschäft der EnBW eingebunden sei und sich deshalb auch nicht dazu äußere.

Das bayerische Wirtschafts- und Energieministerium schrieb, dass es für eine Bewertung der Situation den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens abwarten müsse. Auf die Frage, inwiefern sich das Ministerium bereits für die Belange betroffener bayerischer Gemeinde- und Stadtwerke eingesetzt habe und ob es dazu auch im Austausch mit dem Land Baden-Württemberg sei, ging eine Sprecherin nicht direkt ein.

EnBW verteidigt Vorgehen

Der EnBW-Konzern selbst teilte auf ZfK-Anfrage mit, dass er jederzeit zu seiner Verantwortung gestanden und BMP Greengas "mit einem signifikanten dreistelligen Millionenbetrag" unterstützt habe. Der Biogashändler habe in der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine über viele Monate versucht, die durch wegbrechende Liefermengen und gestiegenen Abnahmemengen entstandene Schieflage auszubalancieren.

Nachdem die erheblichen außergerichtlichen Sanierungsbemühungen nicht zu einer Stabilisierung der Gesellschaft geführt hätten, sei die BMP-Geschäftsführung rechtlich verpflichtet gewesen, bei Gericht ein Schutzschirmverfahren zu beantragen, um eine Sanierung zu erreichen, erklärte eine Unternehmenssprecherin. "BMP Greengas versucht mit allen Kunden, die von den Maßnahmen betroffen sind, im Rahmen des Möglichen Lösungen zu finden."

Fokus auf Ergebnisabführungsvertrag

Auch die Stadtwerke Schwäbisch Hall beziehen Biomethan von BMP Greengas. "Die Stadtwerke sollen die Wärmewendeziele der Politik vor Ort umsetzen", sagt Geschäftsführer Gebhard Gentner. "Hierzu sind hohe Investitionen und vor allem auch Vorleistungen erforderlich. Die Basis hierfür wird den von der BMP-Pleite betroffenen Versorger gerade entzogen."

Wie andere Betroffene reichten auch die Stadtwerke Schwäbisch Hall ihre Schadenersatzforderungen beim zuständigen BMP-Sachwalter ein. Von besonderem Interesse dürfte dabei sein, welche Auswirkungen der Ergebnisabführungsvertrag zwischen BMP Greengas und dem Mutterunternehmen Erdgas Südwest hat. Dieser wurde zum 1. August gekündigt.

Grundsatzfrage Wärmewende

"Ich gehe davon aus, dass der Insolvenzverwalter diese Rechte der Gläubiger aus dem Ergebnisabführungsvertrag mit aller nötigen Konsequenz gegenüber Erdgas Südwest und möglicherweise EnBW einfordern wird", sagt Gentner.

Auch für den Schwäbisch Haller Stadtwerkechef stellen sich noch viel grundsätzlichere Fragen. Für einen zügigen Umbau der Wärmenetze seien Lösungen wie Biomethan-Blockheizkraftwerke wichtig, erläutert er. "Das kann man aktuell nicht mit reinen Stromlösungen erreichen, es sei denn, der Strom kommt aus fossilen Quellen". Insofern sei es ein ganz schwieriges politisches Signal, wenn man Wärmeausbaupläne fordere, aber gar nicht wisse, wie man die grüne Wärme überhaupt zur Verfügung stellen könne.

Fragezeichen hinter Erdgasausstieg 2035

In Schwäbisch Hall würden die Biomethanmengen nach der Anpassung der Verträge durch BMP nicht ausreichen, um die Wärmeversorgung mit dem erforderlichen Erneuerbaren-Anteil in diesem Jahr sicherzustellen, warnt Gentner.

Zudem wolle sein Unternehmen bis 2035 komplett aus Erdgas aussteigen. "Auch dahinter stehen jetzt große Fragezeichen, auch weil Biomethan bei dieser Strategie eine große Rolle spielt." (hoe/aba)

Aktualisierung: Dieser Artikel wurde um die Stellungnahme der EnBW ergänzt.

Mehr zum Thema BMP Greengas aus dem ZfK-Archiv:

BMP-Greengas-Insolvenz könnte Stadtwerke mindestens 150 Mio. Euro kosten

VKU-Chef: "Erwarten, dass Landesregierung und EnBW Verantwortung übernehmen"

"Rechnerisch ist im Markt immer noch ein Überhang an Biomethan"

Beteiligung an BMP Greengas belastet EnBW-Bilanz mit 251 Millionen