Wasser

Die Tesla-Gigafactory und die Region Berlin-Brandenburg

Die neue E-Auto-Fabrik entsteht in einer eher trockenen Gegend, in der aber der Wasserbedarf steigt. Die Wasserqualität ist unter anderem aufgrund des Braunkohle-Tagebaus beeinträchtigt. Industrieansiedlungen müssen deshalb sorgfältig geprüft werden, meint das Berliner IGB.
07.09.2021

Die Wasserentnahmen für die Tesla-Produktion – hier ein Bild von der Baustelle – verschärft die sowieso schon vorhandene Wasserknappheit. Sie führt unter anderem zur Umkehr der Fließrichtung der Spree.

Das Bauvorhaben "Gigafactory Berlin-Brandenburg" der Firma Tesla in Grünheide und dessen potenzielle Auswirkungen auf die Umwelt werden kontrovers diskutiert. Wegen des thematischen Bezugs und der lokalen Nähe erreichen Anfragen dazu auch das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), das seinen Hauptsitz am Berliner Müggelsee hat. Das IGB nimmt dies zum Anlass, eine wissenschaftliche Einschätzung zur Ansiedlung von industriellen Großprojekten in einer vergleichsweise wasserarmen Region zu veröffentlichen, die wir im Folgenden zusammenfassen.

Berlin-Brandenburg ist bedingt durch die eiszeitliche Landschaftsformung zwar gewässerreich, aber gleichzeitig sehr wasserarm. Dies ist ein wesentlicher und wichtiger Unterschied: Während vergleichsweise viele Oberflächengewässer sichtbar sind, gehört die Region zu den niederschlagsärmsten Gegenden Deutschlands. Zwar fließen mit Spree, Dahme und Havel drei Flüsse durch Berlin, aber diese führen im Vergleich zu anderen großen deutschen Flüssen wenig Wasser. In der Region gibt es recht begrenzte oberflächennahe Süßwasser-Grundwasserleiter, ab circa 300 Metern Tiefe herrschen Salzwasser-Grundwasserleiter vor.

Klimawandel verschärft Wasserverfügbarkeit

Im Zuge des Klimawandels ist von einer Zunahme der Jahresmitteltemperatur sowie der Anzahl an Sommertagen (Maximaltemperatur mindestens 25°C) auszugehen. Bis 2050 ist mit keiner deutlichen Zunahme der Jahresniederschläge zu rechnen. Allerdings werden sich die Niederschlagsmengen im Jahresgang anders verteilen: Während in den Sommermonaten weniger Regen fällt, nehmen die Niederschläge im Frühjahr und Winter zu. Zudem werden lokale Starkniederschlags-Ereignisse häufiger auftreten. Insgesamt werden die klimatischen Veränderungen zu einer Häufung extremer Witterungsereignisse, wie z.B. längere Dürreperioden, führen und folglich die bereits heute kritische regionale Wasserverfügbarkeit weiter verschärfen.

Längere Trockenphasen verschlechtern die Wasseraufnahmefähigkeit von Böden und damit auch die Grundwasser-Neubildungsrate. Auch eine mit dem Klimawandel einhergehende Veränderung der Niederschlagsmuster hin zu mehr Starkregenereignissen führt zu einer geringeren Grundwasser-Neubildung, weil mehr Wasser nur oberflächlich aus dem Gebiet abfließt oder verdunstet statt zu versickern.

Tesla-Gelände mit Regenwasser-Versickerung

Vor dem Hintergrund aktueller Klimaprognosen sind deshalb bei allen Flächenversiegelungen Regenwasserversickerungen vor Ort notwendig. Laut Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum Bauvorhaben von Tesla ist dort eine solche Regenwasserversickerung geplant. Da von versiegelten Flächen jedoch unerwünschte Stoffe vom Niederschlagswasser mobilisiert und transportiert werden können, sollte die Qualität des Niederschlagsabflusses regelmäßig geprüft werden, wie es laut der UVP-Unterlagen auch geplant ist. Gegebenenfalls ist vor der Versickerung eine Vorbehandlung zum Beispiel mit Filtersystemen vonnöten, um unerwünschte Inhaltsstoffe zurückzuhalten und eine Kontamination der angrenzenden Ökosysteme und des Grundwassers  zu vermeiden.

Die Daten zur Grundwasserneubildung der letzten 30 Jahre zeigen bereits einen vorwiegend negativen Trend. Sinkende Grundwasserspiegel verringern nicht nur die Wassermenge in Oberflächengewässern, sondern sind auch problematisch für sowohl grundwasserabhängige Ökosysteme wie Moore, Wälder und Stadtbäume als auch wasserwirtschaftliche Anlagen. Obwohl in der Region historisch gesehen die Landschaftsentwässerung (Drainagen, Flussbegradigungen, Trockenlegung von Mooren) die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen zunächst förderte, machen der Klimawandel sowie menschlicher und natürlicher Wasserbedarf ein Umdenken hin zu einem naturnahen Wasserhaushalt mit langen Verweilzeiten in der Region durch verstärkten Wasserrückhalt erforderlich.

Wasserverbrauch wie eine Kleinstadt

Eine weitere Herausforderung ist der steigende Wasserbedarf in der Region. Das anhaltende Bevölkerungswachstum Berlins führt zu steigendem Wasserbedarf und neuen Flächenversiegelungen. Die zunehmende Bebauung des “Speckgürtels” resultiert ebenfalls in zusätzlichen Flächenversiegelungen, damit reduzierter Grundwasser-Neubildung und geringerem Wasserrückhalt in der Landschaft.

Der Trend zum Eigenheim im Grünen erhöht den Bewässerungsbedarf für Privatgärten. Zudem steigt infolge des Klimawandels der Bewässerungsbedarf von innerstädtischen Grünflächen und Gärten, aber auch von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Tesla-Gigafactory kommt als zusätzlicher Nutzer hinzu: Der Wasserbedarf der Fabrik ist in den aktuellen UVP-Unterlagen mit 1,4 Mio. Kubikmetern pro Jahr angegeben. Dies entspricht dem Wasserbedarf einer Stadt mit 31.000 Einwohnern.

Schadstofffrachten könnten weiter steigen

Organische Spurenstoffe sind vom Menschen hergestellte, chemische Verbindungen. Sie sind z.B. in Medikamenten, Reinigungsmitteln, Pestiziden, Korrosionsschutzmitteln, Farben und Lacken enthalten. Sie sind häufig sehr langlebig und oft in geringen Konzentrationen in Oberflächengewässern, Grundwasser und Trinkwasser vorhanden. Schon niedrige Konzentrationen mancher Spurenstoffe können potenziell negative Auswirkungen auf Ökosysteme oder die menschliche Gesundheit haben.

Viele dieser Substanzen sind wasserlöslich und können in Kläranlagen nicht oder nicht vollständig abgebaut werden. Sie gelangen daher über die Kläranlagen, aber auch durch andere Quellen wie den Regenablauf in die Gewässer. Schon seit 2009 misst das IGB im Spree-Zufluss Erpe, in die das Klärwerk Münchehofe entwässert, eine erhebliche Belastung des Oberflächenwassers mit organischen Spurenstoffen. Die Genehmigung zusätzlicher Einleitungen durch Industrievorhaben wie die Tesla-Gigafactory sollte daher sehr genau geprüft werden, weil dadurch die Schadstofffrachten steigen könnten.

Berliner Trinkwasser aus Uferfiltrat

In der Hauptstadtregion ist dies insbesondere wichtig, weil Grundwasser und Oberflächengewässer die Grundlage für die Trinkwasserversorgung sind. Rund 60 Prozent des Berliner Trinkwassers werden aus Uferfiltrat gewonnen, also letztendlich aus Oberflächenwasser, das eine monatelange, natürliche Reinigung im Untergrund durchläuft, bevor es gefördert wird. Weitere zehn Prozent stammen aus der Grundwasseranreicherung, also ebenfalls aus den Oberflächengewässern.

Die Wasserver- und -entsorgung in Berlin basiert auf einem teilgeschlossenen Wasserkreislauf. Die Trinkwasserressourcen der Stadt sind somit potenziell anfällig für schwer abbaubare  Verunreinigungen, weil gereinigtes Abwasser stromabwärts anteilig wieder als Trinkwasser gefördert wird. Eine bisher noch nicht veröffentlichte IGB-Studie an der Erpe östlich von Berlin unterhalb des Ablaufs des Klärwerks Münchehofe hat gezeigt, dass Spurenstoffe aus der Erpe in den flussnahen Grundwasserleiter gelangen und sich in Richtung einer Brunnengalerie der Berliner Wasserbetriebe (BWB) bewegen.

Spurenstoffe in Trinkwasserbrunnen der BWB

Untersuchungen der BWB haben ergeben, dass sich bereits Spurenstoffe in diesen Trinkwasserbrunnen wiederfinden. Das Beispiel zeigt, dass es zukünftig im Ballungsraum Berlin zu einer höheren Trinkwasserbelastung mit organischen Spurenstoffen kommen könnte, weshalb neue, größere Belastungsquellen möglichst vermieden werden sollten.
 
Die prognostizierten längeren Trockenphasen, steigende Evapotranspiration und ein höherer Wasserbedarf können außerdem eine vermehrte Umkehrung der Fließrichtung der Spree und langfristig eine höhere stoffliche Belastung des Müggelsees und damit auch der angrenzenden Uferfiltrationsbrunnen für die Trinkwassergewinnung zur Folge haben. Denn bei anhaltender Trockenheit, wie z. B. im Sommer 2019, fließt die Stadtspree, die durch die Erpe und Panke bereits mit geklärtem Abwasser belastet ist, entgegen ihrer normalen Fließrichtung zurück in den Müggelsee.

Neue Kläranlage für Tesla

Im Masterplan Wasser wurden verschiedene Szenarien zum Klimawandel, zu Bevölkerungsentwicklung und zu baulichen Maßnahmen betrachtet. Demnach wird die Spree zukünftig vermehrt rückwärts fließen, je nach Szenario durchschnittlich drei bis sechs Monate im Jahr. Hier könnten sich somit bereits bestehende Risiken für die Trinkwasserqualität vergrößern, was ebenfalls eine besonders sorgfältige Prüfung potenzieller zusätzlicher Schadstoffeinleitungen z.B. aus industriellen Anlagen notwendig macht.

Die Abwässer der Tesla-Gigafactory sollen laut entsprechender Ausschreibungsunterlagen über eine neu geplante kommunale Kläranlage in Freienbrink in die Müggelspree eingeleitet werden. Durch die Einleitung könnte es zu einer dauerhaft erhöhten organischen Spurenstoffbelastung des Müggelsees und der umliegenden Uferfiltrationsbrunnen kommen, da der Müggelsee flussabwärts der geplanten Einleitung gelegen ist. Dies würde die oben erläuterten, bereits bestehenden Probleme weiter verschärfen.

Problemfeld Sulfat

Das Ausmaß der Belastung wird grundsätzlich stark von den im Produktionsprozess verwendeten Stoffen, von der Reinigungstechnologie in der betrieblichen Abwasserbehandlungs-Anlage der Tesla-Gigafactory selbst sowie von Ausstattung und Management der noch zu bauenden kommunalen Kläranlage in Freienbrink abhängen. Jedoch ist selbst mit einer vierten Reinigungsstufe (meist Aktivkohle oder Ozonierung) keine vollständige Elimination von unerwünschten Wasserinhaltsstoffen möglich. Die Emissionsvermeidung sollte daher gemäß des Vorsorgeprinzips grundsätzlich Anwendung finden.

Tesla beantragt zudem die Einleitung von Sulfat (SO42-) über das Abwasser, was die bestehende Sulfatkonzentrationen in Spree und Müggelsee weiter erhöhen könnte, die insbesondere auf die stillgelegten Braunkohle-Tagebaue im Einzugsgebiet der Spree zurückzuführen ist. Das Sulfat-Langzeitmonitoring des IGB entlang der Spree zeigt, dass die Sulfatkonzentrationen im Oberflächenwasser der Spree seit Jahren sehr hoch sind und häufig den Trinkwassergrenzwert von 250 mg/L erreichen. Deshalb sollte jede zusätzliche Sulfatbelastung der Spree vermieden werden.

Fazit

Das IGB unterstreicht auf Basis seiner langjährigen Forschungsarbeit im Spree-Einzugsgebiet die hohe Relevanz einer genauen Prüfung der bestehenden und zukünftigen Nutzungsinteressen, da Wasser und Gewässer in der Region bereits jetzt stark beanspruchte Ressourcen und Ökosysteme sind. (hp)