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Trunk: "Die Rolle des Gasnetzes wird sich ändern"

Die Gasag-Gruppe will bis 2040 klimaneutral sein. In einem Gastbeitrag spricht Vorstandsmitglied Matthias Trunk über die Umsetzung der CSRD, künftige Alternativen zu Erdgas und den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
08.06.2024

Matthias Trunk ist Vorstandsmitglied bei der Gasag.

Die Transformation zur Klimaneutralität ist wahrscheinlich die größte Herausforderung in der Geschichte der Berliner Gasag-Gruppe. Erreicht werden soll  Basis der strategischen Neu-Ausrichtung „Zukunft G“.  Das Unternehmen sieht sich gut auf die Anforderungen der Corporate Sustainability Directive (CSRD) vorbereitet. " Bereits seit mehreren Jahren berichten wir basierend auf anerkannten Standards und in Anlehnung an die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN über unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten", sagt Vorstandsmitglied Matthias Trunk in diesem Gastbeitrag.

ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz erstmals mit zwei vertiefenden Workshops

Die Umsetzung der CSRD ist auch Fokusthema bei der diesjährigen ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz am 17. Juni in Berlin. Gastgeber der Konferenz sind die Berliner Stadtreinigung und abends, in der besonderen Atmosphäre des Towers am Flughafen Tempelhof, die Gasag. Erstmals werden bei der Tagung auch vertiefende Workshops im kleineren Kreis angeboten. Zur Anmeldung geht es hier

BTC und das Beratungsunternehmen Limón werden bei der Veranstaltung einen Workshop zum Thema "THG-Bilanzierung im Rahmen des ESRS E1" anbieten, dabei soll auch der Aspekt der Datenanbindung genauer betrachtet werden. Die "Integration von EU-Taxonomie- und CSRD-Daten in eine spartenübergreifende Berichterstattung" steht im Mittelpunkt einer Breakout-Session von Lufthansa Industry Solutions. Weitere Kooperationspartner bei der Veranstaltung sind die Deutsche Kreditbank (DKB) und Rödl & Partner.

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"Die Gasag ist seit über 175 Jahren die wichtige Säule der Berliner Energieversorgung. In dieser Zeitspanne stand das Unternehmen bereits vor vielen technischen, politischen und regulatorischen Herausforderungen. Die Umstellung von der Stadtgas- auf die Erdgasversorgung der Stadt konnte ebenso bewältigt werden wie die Herausforderungen der Teilung der Stadt und der Wiedervereinigung sowie die Erweiterung der Geschäftstätigkeit in Brandenburg.


Die wahrscheinlich größte Herausforderung in der Firmengeschichte ist die Transformation zur Klimaneutralität. Auf der Basis der strategischen Neu-Ausrichtung „Zukunft G“ soll unsere Geschäftstätigkeit bis 2040 klimaneutral erfolgen. Als Unternehmen der Daseinsvorsorge in Berlin und Brandenburg haben wir eine besondere Vorbildrolle, den Klima- und Umweltschutz in der gesamten Metropolregion dauerhaft und nachhaltig zu unterstützen.
 

"Die größte Herausforderung für uns
ist die Dekarbonisierung des Wärmemarktes."

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden nun umfassende Vorgaben gemacht, wonach Unternehmen dazu verpflichtet sind, ihre Nachhaltigkeitsleistungen nach einem EU-Berichtsstandard transparent zu machen. Damit soll sichergestellt werden, dass Unternehmen in der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele ins Handeln kommen.

Wir sind als Unternehmensgruppe gut auf diese neuen Anforderungen vorbereitet. Bereits seit mehreren Jahren berichten wir basierend auf anerkannten Standards und in Anlehnung an die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN über unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten.

Die größte Herausforderung für uns: Die Dekarbonisierung des Wärmemarktes. Über die Hälfte des Gebäudebestandes in Berlin und in unseren Versorgungsgebieten im westlichen und südöstlichen Teil Brandenburgs werden heute über das circa 14.000 km lange Gasverteilnetz der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB), einer Tochtergesellschaft der Gasag Gruppe, mit Erdgas versorgt. Darüber hinaus noch viele Industrie- und Gewerbekunden. In einer klimaneutralen Welt muss die Bereitstellung von Erdgas künftig durch klimafreundliche Lösungen ersetzt werden.

"Ein wesentliches Element unserer Strategie ist die Integration der regionalen EE- und Effizienzpotenziale in unser Angebotsportfolio."


Klar ist: Mit dem Vorrang für Erneuerbare werden Wärmepumpen und Wärmenetze perspektivisch Versorgungsanteile von Erdgas übernehmen. Ein wesentliches Element unserer Strategie ist also die Integration der regionalen EE- und Effizienzpotenziale in unser Angebotsportfolio, und zwar für alle 700.000 Kundinnen und Kunden im B2B- bzw. B2C-Bereich.

Für Berlin bedeutet dieser Ansatz insbesondere die verstärkte Nutzung innerstädtischer Potenziale, im Wesentlichen also der Geothermie- und Abwärmepotenziale der Stadt. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Gasag-Tochter Gasag Solution Plus. Sie entwickelt erfolgreich innovative und klimaneutrale Projekte für große Gebäude und Wohn- und Gewerbe-Quartiere.

"Erstmals wurde in Berliner Sozialbau aus den
1970er Jahren erfolgreich Rechenabwärme integriert,"

Besonderer Schwerpunkt ist dabei die Nutzung der oberflächennahen Geothermie sowie auch die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren. Jüngstes Beispiel dafür ist das mit dem Kommunalen Wohnungsbauunternehmen Gewobag umgesetzte Energieversorgungskonzept Pallasseum. Unter Einbeziehung eines benachbarten Netzknoten-Rechenzentrum der Telekom konnte hier erstmals in Berlin in einem typischen Berliner Sozialbau aus den 70er Jahren erfolgreich Rechenabwärme integriert werden.

Ein weiterer Baustein der Gasag-Strategie ist die Steigerung der Erzeugung aus erneuerbaren Energien durch den Ausbau weiterer eigener Solar- und Windkraftanlagen in Brandenburg. Durch diese Erweiterung wird das Unternehmen seine Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien deutlich steigern.

"Gasnetz wird auch künftig eine wichtige Funktion
im Energiesystem der Monopolregion spielen."

Das Gasnetz steht vor besonders großen Herausforderungen. Es wird unseres Erachtens auch künftig eine wichtige Funktion im Energiesystem der Metropolregion spielen. Mit zunehmender Elektrifizierung des Wärme- und Mobilitätssektors wird sich allerdings die Rolle des Gasnetzes ändern: Statt der Absicherung der Wärmegrundversorgung wird es sich zu einem zu einem Back-Up-System für dargebotsabhängigen Wind- und PV-Strom entwickeln und die Dunkelflaute mit grünen Gasen wie Wasserstoff und Biomethan absichern.

Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur wird gerade eingeleitet. Sie wird in Berlin in einem ersten Schritt durch die Umnutzung bereits bestehender Hochdruckleitungen für die Versorgung der Berliner Heizkraftwerke erfolgen. Durch die Nähe des geplanten Wasserstoffkernnetzes der vorgelagerten Fernleitungsnetzbetreiber ist das Verteilnetz der NBB sehr gut für eine künftige Wasserstoffversorgung in der Region einsetzbar.

"Die Gebäude und der Fuhrpark der Gasag Gruppe
werden bis 2025 weitgehend klimaneutral betrieben werden."

Entscheidende Weichen der Nachhaltigkeitsstrategie für die wichtigen Wertschöpfungsstufen und Geschäftsfelder sind also bereits gestellt. Aber nicht nur die Versorgung unserer Kundinnen und Kunden mit grüner und klimaneutraler Energie soll in Zukunft nachhaltig erfolgen. Eine weitere wichtige Säule auf dem Weg zum Ziel “Gasag 2040 klimaneutral” ist die Umstellung der eigenen Organisation auf möglichst CO2-freie Prozesse und Abläufe. So werden bis 2025 die Gebäude und der Fuhrpark der Gasag Gruppe weitgehend klimaneutral betrieben werden.

"Uns war es wichtig, die Zukunft G-Strategie unter Einbeziehung und im Austausch mit der Belegschaft zu entwickeln."

Der Umbau der Gasag Gruppe kann aber letztendlich nur mit einer motivierten und qualifizierten Belegschaft erfolgreich gestaltet werden. Deshalb war es wichtig, die Zukunft G -Strategie unter Einbeziehung und im Austausch mit der Belegschaft zu entwickeln. Es ist uns wichtig, unseren Mitarbeitenden berufliche Perspektiven mit Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten und die Gasag als zukunfts- und werteorientierten Arbeitgeber aufzustellen, auch um dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Unsere Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet aber auch unser Engagement für die Berliner und Brandenburger Gesellschaft. Denn nur mit einer vielfältigen Gesellschaft, die sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz stark macht, wird der Wandel gelingen.  Daher vertreten wir die Auffassung: Wer in einer Region lebt und wirtschaftet, sollte sich auch für sie einsetzen und zum nachhaltigen Agieren motivieren.

Als Partner der Region fördern wir daher zahlreiche Einrichtungen und Initiativen im Bereich Umwelt und Wissenschaft, Sport und Kultur und verknüpfen unser Engagement verstärkt mit Klima- und Umweltthemen."

(Gastbeitrag von Matthias Trunk, Vorstandsmitglied bei der Gasag.)

Bereits erschienene Beiträge zur Konferenz und zum Themenfeld:
"Für jede einzelne Tochter einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, macht keinen Sinn"

(Interview mit der Leiterin Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei den Stadtwerken Neumünster)

"Wir Nachhaltigkeitsmanager befinden uns ein Stück weit in einer Blase"
(Interview mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten
der Stadtwerke Gießen)

"CSRD-Umsetzung: Stadtwerke nennen Datenverfügbarkeit als größte Herausforderung"
(Umfrage unter 50 Stadtwerken von Rödl und Partner)

"Wir wissen noch nicht, ob wir einen oder zwei Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen"
(Interview mit
der Nachhaltigkeitsbeauftragten der Stadtwerke Norderstedt)

"Nachhaltigkeitsdaten werden ein Wettbewerbsvorteil sein"
(Interview mit DKB-Vorstand Tilo Hacke)

"Wir hoffen auf einen Bericht, der den DNK-Standard und die CSRD erfüllt"
(Interview mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Berliner Stadtreinigung)

"ESG-Berichterstattung: Bereits beim Aufstellen neuer Prozesse Optionen für Automatisierung schaffen"
(Interview mit dem Managing Director von BTC)

"Die einzelnen Prozesse sollten von Beginn an digital und automatisiert abgebildet werden"
(Interview mit Lufthansa Industry Solutions)